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Kompakt
ORTHOPÄDIE IT-SICHERHEIT
Technik hilft Schonhaltung zu korrigieren Fort Knox für Patientendaten
Abb.: AG wearHEALTH bracht. Eine Software verarbeitet Die elektronische Patientenakte soll in Zukunft alle
die von den Sensoren erfassten
Gesundheitsdaten eines Patienten von der Wiege bis
Daten und berechnet daraus Bewe-
zur Bahre speichern. Damit Unbefugte nicht auf die-
gungsparameter wie beispielswei-
die Daten verschlüsselt abgelegt werden. „Die Re-
se Gelenkwinkel an Hüfte, Knie und se sensiblen Informationen zugreifen können, müssen
Sprunggelenk sowie Schrittlängen. chenkapazitäten von Angreifern werden immer grö-
Dadurch kann die Software ein in- ßer und ihre Angriffe besser. Wir können darum
dividuelles Bewegungsmuster er- davon ausgehen, dass nach spätestens 20 Jahren alle
stellen, aus dem hervorgeht, ob sich verschlüsselten Daten offenliegen“, sagt Professor
der Patient korrekt bewegt. Nimmt Johannes Buchmann von der TU Darmstadt. Um das
er wieder eine Schonhaltung ein, zu verhindern, hat sein Team gemeinsam mit japani-
erhält er eine Rückmeldung in schen Kollegen, einem japanischen Krankenhausbe-
NOCH ZUKUNFT: Sensoren helfen beim korrekten Gehen. Form von Tönen und Vibrationen. treiber und einer kanadischen Firma ein neues Sys-
Diese erinnern ihn daran, dass er tem entwickelt. Dieses System namens LINCOS (Long-
Patienten, die ein neues Hüftgelenk erhal- seine Schonhaltung aufgeben und sich Term Integrity and Confidentiality Protection
ten haben, müssen nach der OP wieder korrekt bewegen soll, so wie er es in der System) erreicht eine langfristige Vertraulichkeit der
lernen, „normal“ zu gehen. Bedingt durch Reha gelernt hat. „Das System ist der ver- Daten durch „Secret Sharing“ (Geheimnisteilung).
ihre Schmerzen haben sie sich oftmals längerte Arm des Physiotherapeuten“, Dabei wird der Originaldatensatz einer Patientenak-
eine Schonhaltung angewöhnt. Ein an der sagt Dr. Gabriele Bleser von der AG te so auf verschiedene Server aufgeteilt, dass einzel-
TU Kaiserslautern entwickeltes mobiles wearHEALTH an der TU Kaiserslautern. ne Teile für sich genommen keinen Sinn ergeben. Erst
Ganganalyse- und Feedback-System soll Auch der Physiotherapeut und der Arzt wenn genügend Teile – sogenannte Shares – überei-
sie dabei unterstützen, ihre Schonhaltung des Patienten können die Daten einsehen, nandergelegt werden, ist der Originaldatensatz les-
zu überwinden. Dazu werden an den Fü- als animiertes 3D-Knochenmodell und in bar. Dadurch kann ein Angreifer mit den gehackten
ßen, Unter- und Oberschenkeln und am Form von Diagrammen, die Besonderhei- Daten eines einzigen Servers nichts anfangen. Als
Becken insgesamt sieben Sensoren ange- ten im Gang sichtbar machen.< C UNI-KL.DE weitere Sicherheitsstufe erfolgt regelmäßig eine neue
Aufteilung der Daten. Um sicherzustellen, dass die
Daten nicht manipuliert werden, setzen die Forscher
PODCAST auf spezielle Signaturen, die nicht einmal mithilfe
Wechselschnittstelle eines Quantencomputers geknackt werden können.
Und um ganz sicher zu gehen, möchten die Forscher
diese Signaturen regelmäßig austauschen. Schließ-
In Folge 60 ihres E-Health-Podcasts be- dass die Wechselschnittstelle für die Ver- lich schützen sie den Datenaustausch zwischen dem
schäftigen sich die Professoren Renato ordnungssoftware nur der erste Schritt Krankenhaus und den Server-Betreibern durch
Dambe und Christian Wache mit §291d ist und Schnittstellen für weitere Module „Quantencomputer-resistente“ Verschlüsselung.<
SGB V. Als Gast begrüßen sie Jens folgen werden. „Warum hat man sich aus- C CROSSING.TU-DARMSTADT.DE
Naumann. Der Vorstandsvorsitzende des gerechnet die Medikation herausgepickt
Bundesverbands Gesundheits-IT ( bvitg) und nicht etwa die Diagnosenerfassung?“,
und Geschäftsführer von medatixx erläu- fragt Naumann. Seiner Auffassung nach
tert die politischen und tech- gehört die Verordnung mit Abb.: Patrick Bal/TU Darmstadt
nischen Aspekte dieses The- allen Rezeptmasken, der Me-
mas. In §291d SGB V hat der Module dikationsdatenbank, dem
Gesetzgeber festgelegt, dass austauschen Bundesmedikationsplan,
niedergelassene Ärzte ihre einer Liste aller vorrätigen
Verordnungssoftware in Zu- Medikamente sowie der Sta-
kunft leichter austauschen tistik zu den Verordnungen
können sollen. „Was der Gesetzgeber for- zum Kern einer Praxissoftware. Deshalb
dert, gibt es bereits im Markt, es ist nur lässt sich die Verordnung nicht wie ande-
andersartig geregelt“, stellt Naumann fest. re Komponenten aus der Praxissoftware
Er verweist auf die xBDT-Schnittstelle herauslösen und durch das Modul eines
(Behandlungsdatentransfer-Standard), anderen Herstellers ersetzen. Die Folge
die bereits seit 20 Jahren eine Datenmigra- wäre ein Ergonomiebruch, der mit einem
tion bei einem Wechsel der Praxissoft- Qualitätsverlust bei der Nutzung verbun-
ware ermöglicht. Naumann vermutet, den ist.< C EHEALTH-PODCAST.DE GESUNDHEITSDATEN: Jahrzehntelanger Schutz erforderlich
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