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Kompakt
INTERVIEW „DIE FREIE APOTHEKENWAHL MUSS ERHALTEN BLEIBEN“
Der Deutsche Apothekertag hat sich für die zügige Einführung des elektronischen Rezepts (E-Rezept) ausgesprochen.
Dabei setzen die Apotheker auf die Telematikinfrastruktur und die Digitalisierung der Apotheken.
Î ÎWie sehen Sie Ihre Rolle bei der Einführung des E-Rezepts? E-Medikationsplan ergibt das einen echten Pati- Abb.: ABDA
Das rosafarbene Papierrezept gehört seit jeher zur „Basisausstattung“ jeder entennutzen. SÖREN FRIEDRICH
Leiter der Abteilung IT/Telematik
Apotheke. Heutzutage erwarten aber viele Patienten, dass die Verordnung in der Geschäftsstelle der ABDA –
auch digital funktionieren muss. Deshalb will die Apothekerschaft diese Î ÎWelches sind aus Ihrer Sicht die nächsten Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände in Berlin
Entwicklung nicht nur begleiten, sondern sie selbst gestalten. Der Umgang Schritte?
mit Arzneimitteln und Verordnungen ist schließlich ihre Kernkompetenz. Die Apothekerschaft hat im Spätsommer 2018 ein Systemkonzept zur Ent-
Ein Katalysator für diese Entscheidung war, dass der Deutsche Ärztetag das wicklung und Einführung eines E-Rezeptes vorgelegt. Das ist zugegebener-
Fernbehandlungsverbot deutlich gelockert hat. In Modellprojekten stellt maßen eine Übergangslösung, die den Prozess jedoch beschleunigen soll und
sich die Frage, wie man in einer telemedizinischen Umgebung mit der Ver- die später in der Telematikinfrastruktur aufgehen muss. Die Netzgesellschaft
ordnung von Arzneimitteln umgehen soll. Viele Player versuchen ihr Glück Deutscher Apotheker – kurz: NGDA – wurde beauftragt, ein Pflichtenheft zu
in diesem Bereich und haben dabei das E-Rezept und seine Lenkung im erstellen. Dass dazu Gespräche mit den anderen Heilberufen, Politikern und
Blick, quasi als „Rezept-Broker“. Das sollte aber nicht so sein: Die Entschei- Marktpartnern nötig waren und weiterhin sind, versteht sich von selbst.
dung, in welche Apotheke das Rezept wandert, muss weiterhin beim Pati- Demnächst soll eine Serverstruktur aufgebaut werden – und in mindestens
enten liegen. Ein E-Rezept muss also sehr sicher, diskriminierungsfrei und einem lokalen oder regionalen Modellprojekt sollen Erfahrungen gesammelt
leicht handhabbar sein. werden. In Baden-Württemberg ist man schon ziemlich weit, nicht zuletzt
mit einer finanziellen Förderung durch das Landessozialministerium. Ent-
Î ÎWie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Ärzten beim E-Rezept scheidend ist aber, dass nur Projekte unterstützt werden sollten, die mit dem
vor? Systemkonzept konform gehen. Genauso entscheidend ist es, dass regionale
Die Ärzte sind essenziell für das E-Rezept, denn sie müssen es ausstellen. Projekte auch mit einer regionalen Finanzierung unterlegt werden müssen.
Ihre zentrale Rolle kann man auch schon jetzt beim E-Medikationsplan erle-
ben, wo Ärzte und Apotheker gleichberechtigt die Federführerschaft inne- Î ÎWann kommt das E-Rezept in die Praxen und Apotheken?
haben. Darüber hinaus haben sich die Apotheker mit Ärzten und Zahnärzten Das hängt natürlich nicht nur von der Apothekerschaft ab. Das Gesundheits-
vor einem Jahr in einem „Letter of Intent“ darauf geeinigt, nach welchen ministerium ist hier ein ganz wichtiger Taktgeber – ebenso wie der Bundes-
Grundsätzen sie die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben wol- tag als Gesetzgeber. Für die Telematikinfrastruktur muss die gematik die
len. Patientennutzen und Praktikabilität für den heilberuflichen Alltag sind technischen Standards für das E-Rezept setzen. Auch die Industrie muss mit-
die Schlüsselkriterien. Die Möglichkeit zur telemedizinischen Behandlung spielen und Hard- und Software bereitstellen. Sofern und sobald jedoch kla-
zieht auch den Bedarf nach elektronischer Verordnung nach sich. Wenn die re Termine im Gesetzblatt stehen, werden und müssen sich die Ärzte, Apo-
Apotheker sich federführend um das E-Rezept kümmern, können sich die theker und Krankenkassen gleichermaßen mit voller Kraft in Richtung Digi-
Ärzte stärker auf die E-Patientenakte konzentrieren. Zusammen mit dem talisierung bewegen. Das steht fest.<
HERZINSUFFIZIENZ
FONTANE-Projekt erfolgreich abgeschlossen
Abb.: Fraunhofer IMS Die telemedizinische Mitbetreuung kann das tungen. Die telemedizinisch betreuten Patien-
ten erhielten vier Messgeräte und ein Tablet,
Leben von Herzinsuffizienz-Patienten verlän-
über das sie die Messwerte und Angaben über
gern. Telemedizin eignet sich sowohl für Pati-
enten im ländlichen Raum als auch für Patien-
ihr aktuelles Befinden an das Zentrum für kar-
ten in Metropolregionen. Das sind die beiden diovaskuläre Telemedizin der Charité übertru-
wesentlichen Ergebnisse der FONTANE-Studie gen (siehe Seite 16). Die Studienergebnisse
der Charité, die jetzt vorliegen. Zwischen Au- zeigen, dass die Telemedizinpatienten weniger
gust 2013 und Mai 2017 nahmen insgesamt Tage aufgrund von ungeplanten kardiovasku-
1 538 Patienten an der Studie teil, die jeweils lären Ereignissen im Krankenhaus verbringen
ein Jahr lang medizinisch betreut wurden. Eine mussten als die Vergleichsgruppe. Innerhalb
Hälfte von ihnen wurde telemedizinisch mit- eines Jahres starben weniger der telemedizi-
betreut, die andere Hälfte blieb konventionell nisch mitbetreuten Patienten, und auch die
behandelt. Die ärztliche Betreuung der Patien- Zahl der ungeplanten Krankenhaustage wegen
ten am Wohnort erfolgte bundesweit durch 113 Herzinsuffizienz war geringer als in der Ver-
TELEMEDIZIN: Unterstützung für Herzpatienten kardiologische und 87 hausärztliche Einrich- gleichsgruppe.< C FONTANE-STUDIE.DE
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