Page 20 - xpress_Ausgabe 22.4
P. 20

Thema












        MEDIZINISCHE VERSORGUNG IM LÄNDLICHEN RAUM
        Wo kein Arzt mehr hilft







        Die medizinische Versorgung auf dem Land krankt an vielem: dem demografischen Wandel, einer oft fehlenden
        oder unzureichenden Infrastruktur und vor allem am Ärztemangel. So verschieden die Gründe, so gelingt auch
        die Lösung der Probleme nicht nur mit einer Maßnahme. Digitalisierung ist dabei ein wichtiges Puzzleteil.



            ie medizinische Versorgung in der Peri-  nalen Patienten- oder Fallakten. Weiterhin  wendige Einrichtung und Pflege der digitalen
            pherie steht vor enormen Herausforde-  müssen der Ausbau von Videosprechstunden  Infrastrukturen wäre das RGZ zuständig.
       Drungen. Innovative Versorgungsmodel-  in Arztpraxen und das Remote Monitoring vo-
                                                                               Einführung neuer Berufe
        le tun not. Dazu gehört auch der nutzbringen-  rangetrieben werden.
        de Einsatz von digitaler Technik überall dort,   Gerade für medizinisch unterversorgte Re-  Auch neue Professionen sollen bei der Versor-
        wo bestimmte Aufgaben, Leistungen und  gionen ist die intersektionale Versorgung ein  gung auf dem Land helfen. So hat die Partei Die
        Funktionalitäten der medizinischen und pfle-  Hoffnungsträger, an den hohe Erwartungen  Grünen  im  Koalitionsvertrag  die  Idee  der
        gerischen Versorgung von den Akteurinnen  geknüpft sind. Die Techniker Krankenkasse tut   Community Health Nurses (CHN) ins Spiel ge-
        und Akteuren vor Ort nicht oder nur unvoll-  sich seit Kurzem mit der Schaffung eines neuen  bracht. Das Konzept dahinter stammt von der
        ständig erbracht werden können. Eine Vor-  sektorenübergreifenden Versorgungsbereichs  Robert Bosch Stiftung. Ziel von Community
        aussetzung für das Gelingen solcher Modelle  hervor. Herzstück sollen Regionale Gesund-  Health Nursing ist, die primäre Gesundheits-
        ist, dass diese regional organisiert und mit  heitszentren (RGZ) sein. Vorgesehen ist, dass  versorgung wohnortnah und nachhaltig zu
        den Beteiligten gut abgestimmt werden. Au-                             verbessern.  Dem  Vorbild  von  Ländern  wie
        ßerdem müssen die Grenzen zwischen stati-                                Kanada oder Finnland folgend, bietet Commu-
                                               Auch neue Professionen
        onärer und ambulanter Versorgung aufge-                                nity Health Nursing eine akademische Quali-
                                              sollen bei der Versorgung
        weicht werden.                                                         fizierung für Pflegefachpersonen und bereitet
        Sektorengrenzen auflösen                auf dem Land helfen.           diese für den Einsatz in der primären Gesund-
                                                                               heitsversorgung vor – sowohl in Städten als
        Konkrete Ideen dafür gibt es bereits: So könn-                         auch in ländlichen Regionen. Das Konzept setzt
        ten in der stationären Versorgung Kranken-                             auf eine umfassende, sektorenübergreifende
        häuser der Maximalversorgung Beratungen  diese die Akut- und Notfallversorgung und  Primärversorgung mit einer Stärkung von Ge-
        und Konsultationen für kleinere Häuser in  Leistungen der ambulanten und stationären  sundheitsförderung und Prävention sowie
        Bereichen übernehmen, die diese nicht selbst  (Grund-)Versorgung sowie den Rettungsdienst  Gesundheitskompetenz.
        anbieten können. In einzelnen Kliniken ist das  abdecken, optional auch Angebote zur Pflege   Als Einsatzgebiete sehen die Verantwortli-
        schon Realität. Diese nutzen die Telemedizin,  vorhalten und in der Region eine wohnortnahe  chen die CHN in der Primärversorgung, zum
        um sich untereinander zu vernetzen. Ein  Versorgung ermöglichen. Ist ein Landstrich  Beispiel in regionalen Gesundheitszentren. Als
        nächster Schritt wäre der weitere Ausbau die-  unterversorgt, könnte das RGZ zusätzliche Ele-  Vorbild dienen hier die von der Robert Bosch
        ser vernetzten Strukturen auf den niederge-  mente der Ferndiagnostik, -behandlung, -über-  Stiftung geförderten PORT-Zentren (Patien-
        lassenen Bereich in Form von Kooperationen  wachung und -betreuung bereitstellen.  tenorientierte Zentren zur Primär- und Lang-
        mit niedergelassenen A� rztinnen und A� rzten   Damit ermöglichen die RGZ eine optimierte  zeitversorgung). Weitere Einsatzorte sind der
        – und zwar überall dort, wo Fachärztinnen und  Koordination (Sicherstellung des adäquaten  Öffentliche Gesundheitsdienst und der kom-
        Fachärzte fehlen. Hier könnten die Kranken-  Behandlungspfads), Kooperation (zum Beispiel  munale Sozialraum oder das Quartier.
        häuser beispielsweise fachärztliche Telemedi-  Fallbesprechungen, Qualitätszirkel) und Kom-  Auch die Arbeit der CHN kommt nicht ohne
        zinsprechstunden einrichten. Eine weitere  munikation zwischen den verschiedenen an  digitale Services aus, denn der Informations-
        Maßnahme, um Versorgungslücken zu schlie-  der Versorgung beteiligten Akteurinnen und  fluss zwischen den Gesundheitsprofessionen
        ßen und eine effizientere Zusammenarbeit zu  Akteuren. Darüber hinaus ist die telemedizi- um die Patientinnen und Patienten herum muss    Abb.: istockphoto © 97
        ermöglichen, ist die digitale Vernetzung von  nische Anbindung an überregionale Zentren  gewährleistet sein. Falls notwendig, können
        Leistungserbringern auf der Basis von regio-  eine vielversprechende Option. Für die not-  die CHN per Tele-Nursing oder Telemedizin

    20   x.press 22.4
   15   16   17   18   19   20   21   22   23   24   25