Page 18 - xpress_Ausgabe 18.4
P. 18

Porträt




                                                                               schwierig. Es gab zum Beispiel kein ara-
                                                                               bisch-deutsches Wörterbuch, weshalb wir
                                                                               Deutsch über Englisch lernen mussten. Außer-
                                                                               dem legte ich gleichzeitig Prüfungen für mein
                                                                               Medizinstudium ab. Der Druck war enorm“,
                                                                               erinnert er sich. Aboudan lernte wie ein Beses-
                                                                               sener. Um seine Deutschkenntnisse zu verbes-
                                                                               sern, suchte er Kontakt zu Österreichern und
                                                                               nahm sich bei österreichischen Familien eine
                                                                               Unterkunft.
                                                                                 Nach ein paar Semestern hatte er genug
                                                                               von den überlaufenen Hörsälen der Wiener
                                                                               Universität und schrieb sich 1959 an der
                                                                                 Mainzer Universität ein. Die familiäre Atmo-
                                                                               sphäre gefiel ihm, aber der junge Mann spür-
                                                                               te, dass die Deutschen die Folgen des Krieges
                                                                               noch nicht überwunden hatten. Seine ersten
                                                                               Eindrücke waren jedoch überwiegend positiv:
                                                                               „Die Deutschen waren zurückhaltend, viele
                                                                               noch spürbar traumatisiert, aber freundlich.“
                                                                               Dennoch waren kulturelle Unterschiede oft
          DR. FAES ABOUDAN                                                     ein Hindernis für den Syrer. „Nur die Sprache
                                                                               zu lernen, reicht nicht. Man muss auch lernen,
                                                                               wie die Menschen denken und welche Werte
                                                                               sie haben, um sich richtig verständigen zu
                                                                               können.“
                                                                                 Nach dem Physikum zog es den Medizinstu-
                                                                               denten an die Düsseldorfer Akademie, die einen
                                                                               guten Ruf genoss. Hier schloss er sein Studium
                                             Der                               assistenten-Stelle im Bergischen Land, wo er
                                                                               ab und erhielt im Anschluss eine Medizinal-
                                                                               sich zum Internisten weiterbildete und schließ-
         ch würde es immer wieder tun“, sagt Dr. Faes                          lich seine spätere Frau, eine angehende Lehre-
         Aboudan, wenn er auf seine Karriere zurück-                           rin, kennenlernte. Als Syrer hatte er immer
        Geboren in Aleppo, legte er sein Abitur an einer  Engagierte
       Iblickt. Für den in Syrien geborenen 83-Jäh-                            wieder mit Vorurteilen zu kämpfen: „Die Men-
        rigen ist die Medizin weniger Beruf als Beru-
                                                                                             schen wussten damals
                                                                                             nichts über mein Heimat-
        fung. Dabei wollte er eigentlich etwas ganz
        anderes machen. „Ich wollte Jurist werden.“
                                                                                             land. Araber kannten sie
                                                                                             nur aus Geschichten von
        staatlichen Schule ab. Zunächst wollte er Jura                         Karl May oder aus dem Kino, und da wurden
        studieren, doch bereits damals war das politi-                         natürlich viele Klischees bedient.“ Immer wie-
                                              Dr. Faes Aboudan kam schon vor
        sche System in seinem Heimatland so, dass                              der musste er sein Können beweisen und hart
                                              dem Bau der Berliner Mauer zum
        Aboudan wusste, es würde nicht mit seiner                              arbeiten, um seine Ziele zu erreichen.
        Vorstellung von einem Rechtssystem überein-  Medizinstudium nach Mainz. Der   Aboudan: „Damals las ich von einer neuen
                                              gebürtige Syrer, verheiratet mit
        stimmen. Da er jedoch in seinem Abitur einen                           Fachrichtung, der Nephrologie. Etwas Neues
                                              einer Deutschen, ist mit Leib
        Schwerpunkt auf die Geisteswissenschaften                              zu entdecken hat mich schon immer gereizt,
                                              und Seele Arzt und engagiert
        gelegt hatte, konnte er nach syrischen Vorga-                          darum wollte ich mich in dieser Richtung spe-
        ben auch nicht Medizin studieren. Darum folg-                          zialisieren.“ Der Arzt bewarb sich um eine
                                              sich auch im Ruhestand für seine
        te im Jahr 1957 der Entschluss, für das Studium                        Stelle im Kölner Krankenhaus Merheim, wo er
                                              Patienten und sozial schwache
        der Humanmedizin in die Türkei nach Istanbul                           später Leiter der nephrologischen Ambulanz
                                              Menschen.
        zu gehen.                                                              und des Dialyse-Zentrums wurde.
          „Dort war die politische Lage zu diesem                                In seiner Tätigkeit als Arzt bleibt Aboudan
        Zeitpunkt aber auch nicht stabil. Darum ging                           seinem Interesse für das Neue treu. Er leistet
        ich im selben Jahr nach Wien“, so der Mediziner.                       Pionierarbeit, als er sich 1969 maßgeblich an
        In Österreich angekommen, galt es zunächst,                            der Gründung des Kuratoriums für Heimdia-
        die deutsche Sprache zu lernen. „Das war sehr                          lyse beteiligt. „Damals war die Dialyse ganz
    18   x.press 18.4
   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23