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Porträt
zweite Meinung einholen. Rosenthal geht es
dabei auch darum, in den ehrlichen Austausch
mit ihren Kollegen zu kommen. „In unserem
Beruf gibt es teilweise einen schmalen Grat
zwischen Leben und Tod, und man muss nicht
ein schlechter Chirurg sein, wenn in Therapie-
verläufen Komplikationen auftreten“, so die
Kinderherzchirurgin.
Früher reiste Rosenthal viel in Entwick-
lungsländer und operierte unentgeltlich. Das
Wissen, Kindern geholfen zu haben, die sonst
auf keine Heilung hoffen konnten, hat sie mit
Befriedigung erfüllt. Es gab aber etwas, das sie
störte: „Da war immer diese Abhängigkeit von
uns ausländischen Ärzten. Inzwischen bin ich
der Meinung, dass man die Mediziner ausbilden
und vor Ort unterstützen muss, damit sie die
Eingriffe in Zukunft ohne unsere Hilfe durch-
führen können.“ Der Gedanke bestärkte sie in
ihrem Entschluss, sich an der Uniklinik
München für die Ausbildung ausländischer
DR. L. LILY ROSENTHAL Kollegen einzusetzen.
Mit Erfolg. Mittlerweile ist die Ausbildung
ausländischer Kollegen zu Kinderherzchirur-
gen eine feste Institution geworden. Es exis-
tieren Kooperationen zur Kostenübernahme
mit den jeweiligen Konsulaten und Botschaften
der Herkunftsländer der Ärzte. An den Pro-
grammen teilnehmen können solche Mediziner,
die nachweislich bereits Herzchirurgen sind.
In München können sie dann einen Teil ihrer
Die
vieren. Die Weiterbildung soll die Ärzte befä-
r. L. Lily Rosenthal ist Kinderherzchirur- Ausbildung zum Kinderherzchirurgen absol-
gin und Oberärztin an der Medizinischen higen, in ihren Heimatländern einfache Ein-
DFakultät der Ludwig-Maximilians-Uni- griffe selbstständig vorzunehmen. Brauchen
versität (LMU) München. Ihr Engagement geht
weit über die eigentliche ärztliche Tätigkeit
hinaus. „Wir haben oft mit schwer herzkranken fliegende Ärztin
Kindern zu tun. Deren gute Betreuung ist mir
sehr wichtig und dazu gehört auch, dass deren
Eltern sich gut aufgehoben fühlen“, sagt sie. Im sie für komplizierte Operationen Unterstüt-
Die Kinderherzchirurgin
hektischen Klinikalltag kommen ausführliche zung, reist Rosenthal auch schon einmal an und
Dr. L. Lily Rosenthal engagiert
Gespräche mit den Eltern ihrer Patienten oft gibt Hilfestellung. „Aber nur als Beraterin,
zu kurz. Deshalb führt sie diese ehrenamtlich sich ehrenamtlich für junge operieren müssen die Kollegen selbst. Nur so
Herzpatienten und bei der
in ihrer Freizeit. Eltern können sich von ihr können sie irgendwann ganz ohne uns agieren“,
Ausbildung von Kollegen aus
medizinische Sachverhalte erklären lassen sagt sie. Für ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten
Entwicklungsländern. Für dieses
oder eine zweite Meinung einholen. „Ich will, erhielt die Medizinerin im November letzten
Engagement hat sie die Aus-
dass sie sich in unserem Krankenhaus mit ih- Jahres das „Dr. Pro Bono“-Siegel der Stiftung
ren Sorgen angenommen fühlen. Außerdem ist Gesundheit.
zeichnung „Dr. Pro Bono“ der
es notwendig, sie in der Therapie einzubinden“, Rosenthal hat lange Arbeitstage und meh-
Stiftung Gesundheit erhalten.
so Rosenthal. rere ehrenamtliche Projekte, die viel ihrer
Inzwischen nehmen sogar Eltern von Kin- freien Zeit beanspruchen. Hinzu kommen der
dern, die gar nicht ihre Patienten sind, das ständige Druck und die enorme Verantwor-
Gesprächsangebot in Anspruch. Die Ärztin tung, die sie als behandelnde Ärztin herzkran-
weist niemanden ab. Aus ganz Deutschland ker Kinder hat. Sie ist sich bewusst, dass sie
wenden sich Betroffene an sie und wollen eine nicht allen Patienten helfen kann. „Wir sind alle
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