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Porträt




                                                                               64- Jährige. Er muss es wissen, denn er war
                                                                               maßgeblich an der Einführung digitaler Pro-
                                                                               zesse in den Arztpraxen beteiligt. Eines seiner
                                                                               ersten Projekte war in der gerade neu von den
                                                                               Vertragspartnern der gesetzlichen Kranken-
                                                                               versicherung geschaffenen Prüfstelle für Pra-
                                                                               xisverwaltungssysteme (PVS). Damals fanden
                                                                               die ersten Computer Einzug in einzelne Pra-
                                                                               xen. „Die Krankenkassen hatten Sorge, dass
                                                                               Ärzte die Elektronik nutzen, um sich bei der
                                                                               Abrechnung Vorteile zu verschaffen“, so Mohr.
                                                                               Darum beauftragten diese die Prüfstelle, stan-
                                                                               dardisierte Anforderungen an die Software
                                                                               zu formulieren, mit der die von den Ärzten
                                                                               genutzte Software von den Krankenkassen
                                                                               zertifiziert werden konnte. Ein halbes Jahr
                                                                               später wurden diese Anforderungen im Bun-
                                                                               desmantelvertrag festgehalten.
                                                                                 Auf großes Interesse ist seine Arbeit bei
                                                                               den Ärzten erst einmal nicht gestoßen. „Im
                                                                               ersten Jahr haben sich vielleicht 300 Ärzte für
          GILBERT MOHR                                                         die Zertifizierung interessiert“, erinnert sich
                                                                               Mohr. Verständlich, findet er und erklärt, dass
                                                                               damals ein Computer zwischen 50 000 und
                                                                               100 000 D-Mark kostete. Außerdem sei alles
                                                                               noch so sehr auf Papier ausgerichtet gewesen,
                                                                               dass sich die EDV zunächst nach diesen Denk-
                                                                               und Arbeitsstrukturen ausrichten musste. Das
                                                                               hatte zur Folge, dass der Arzt beispielsweise
                                             Der                               auf Papier ausdrucken musste – eine Mehrar-
                                                                               alle digitalen Abrechnungsschritte zusätzlich
                                                                               beit, die sich kaum ein Mediziner machen woll-
            ass Gilbert Mohr als studierter Wirt-                              te. Die KVen sahen ein, dass hier nachgebessert
            schaftsingenieur im Gesundheitswesen                               werden musste.
       Darbeitet, war eigentlich ein Zufall. „Nach                               „Ich habe immer gerne Pionierarbeit ge-
        dem Studium war ich auf Stellensuche. Ich   Pionier                    macht“, sagt Mohr. Darum nahm er den Auf-
        stamme aus einer strukturschwachen Gegend                              trag, eine Lösung für die digitale Zuweisung
        im Saarland und da war es schnell klar, dass                           der Abrechnungen an die KVen zu erarbeiten,
        ich für eine Arbeit wegziehen musste.“ In der                          gerne an. Entstanden ist der XDT-Datenstan-
        Zeitung fand er zwei Anzeigen, die halbwegs                            dard, der heute KVDT heißt. Gleichzeitig ent-
                                              Er ist ein Urgestein der deut-
        passten. Eine davon war bei der Kassenärztli-                          wickelte Mohr eine Software für die KVen,
                                              schen Gesundheitstelematik.
        chen Bundesvereinigung in Köln. Mohr hatte                             damit diese die – damals noch auf Disketten
        in seinem Studium einen Schwerpunkt auf EDV   Gilbert Mohr hat als IT-Experte   – gespeicherten Informationen auch auslesen
        gelegt, was ihn für die KBV interessant mach-  aufseiten der Kassenärztlichen   konnten. Auf den höheren Ebenen der KVen
        te. „Die wollten mich sofort haben und so bin   Vereinigung Nordrhein nicht nur   war man daran noch nicht sonderlich interes-
        ich nach Köln gekommen“, erinnert sich Mohr   den Einzug der Computer in die   siert, weil lediglich 1 bis 2 Prozent der Ärzte
        und gibt lachend zu, die Sache anfangs eher                            diese digitale Datenverarbeitung nutzten. Je-
                                              Arztpraxen aktiv mitgestaltet,
        unbedarft angegangen zu sein: „Ich wusste                              doch die Frauen, die bei den KVen die Papier-
                                              sondern war auch an der Einfüh-
        nicht einmal, was eine KV ist und hatte auch                           daten verarbeiten mussten, zeigten sich durch-
                                              rung der elektronischen Gesund-
        keine Ahnung, was mich im Gesundheitswesen                             aus beeindruckt, denn sie begannen, um ihre
                                              heitskarte und am Aufbau der
        erwartet.“                                                             Arbeitsplätze zu fürchten. „Da schwante mir,
                                              Telematikinfrastruktur beteiligt.
          Das war im Jahr 1982. 36 Jahre später ge-                            dass der Computer zu einem Umbruch im Ge-
        hört er zu den Pionieren der E-Health-Ent-                             sundheitswesen führen wird“, so der IT-Spe-
        wicklung in Deutschland. „Wenn man be-                                 zialist. Er sollte mit seiner Vermutung recht
        denkt, wo wir angefangen haben, hat sich im                            behalten. In Folge zogen immer mehr Compu-
        Gesundheitswesen doch viel getan“, sagt der                            ter in die Arztpraxen ein.
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