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Thema




        INTERVIEW         PRAXEN SOLLTEN EIN DATENSCHUTZBUCH FÜHREN

          Dr. Hans Matheis, Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Datenschutz und Qualitätsmanagement, zählt
          viele Arztpraxen zu seinen Klienten. Er erklärt im Interview, worauf Ärzte ab Inkrafttreten der EU-DSGVO achten
          müssen und welche Maßnahmen sie ergreifen sollten.

                                                                                                  DR. HANS MATHEIS
          Î ÎWelche Arztpraxis muss einen Datenschutzbeauftragten bestellen?  nach nicht frisch von der Ausbildung kommend be­  Unternehmensberater   Abb.: Dr. Hans Matheis
          Ein Datenschutzbeauftragter muss dann bestellt werden, wenn in der Arzt­  arbeiten kann.  Datenschutz und Quali­
                                                                                                  tätsmanagement
          praxis mindestens zehn Personen (Anm. d. Red.: Praxismitarbeiter und
            ­inhaber) Daten am Computer verarbeiten oder wenn die Kerntätigkeit der   Î ÎWarum sind die Verträge über die Auftragsdatenverarbeitung so
          Mitarbeiter aus der umfangreichen Bearbeitung von besonderen Katego­  wichtig?
          rien personenbezogener Daten, dazu zählen auch Gesundheitsdaten, be­  Weil hier bei Verstößen drastische Sanktionen drohen. Die Praxis muss
          steht. Geklärt ist, dass eine Einzelpraxis, unabhängig von der Anzahl der   zum Beispiel prüfen, dass der ausgewählte Dienstleister entsprechend den
          Patienten, keine umfangreiche Bearbeitung durchführt und folglich erst ab   Datenschutzgesetzen handelt. Wenn zum Beispiel ein Entsorgungsunter­
          zehn Mitarbeitern einen Datenschutzbeauftragten bestellen muss. Ob eine   nehmen Karteikarten nicht ordnungsgemäß zerstört und diese auf der Stra­
          Gemeinschaftspraxis mit weniger als zehn Mitarbeitern unter die „umfang­  ße oder im Müll gefunden werden, prüfen die Aufsichtsbehörden, ob es ei­
          reiche Bearbeitung“ fällt, ist umstritten. Hier gibt es bei der Bestellung des   nen schriftlichen Vertrag zwischen der Praxis und dem Entsorger gibt. Mit
          Datenschutzbeauftragten noch eine große Unsicherheit.   diesem Vertrag dokumentiert der Arzt, dass er den Auftragsverarbeiter
                                                             sorgfältig ausgewählt hat. Außerdem gibt es, und das ist neu, unter Artikel 5
          Î ÎWelche Anforderungen werden an einen Datenschutzbeauftragten in   der EU­DSGVO die Rechenschaftspflicht: Die Praxis muss nachweisen kön­
          der Arztpraxis gestellt?                           nen, dass sie sich vor Vertragsabschluss die Prozesse des Dienstleisters an­
          Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, dürfen weder der Praxisinhaber   geschaut hat. Und sie muss nachweisen können, dass sie die Datenschutz­
          noch der IT­Dienstleister der Praxis diese Rolle einnehmen. Der bestellte   prozesse abbildet. Was passiert zum Beispiel, wenn ein Verstoß festgestellt
          Datenschutzbeauftragte kann von außen kommen oder ein Mitarbeiter   wird? Wer wird informiert? Eine Praxis braucht, ähnlich wie beim Qualitäts­
          sein, der einen drei­ oder fünftägigen Kurs besucht hat und den Daten­  management, ein Datenschutzbuch, in dem steht, welche Abläufe stattfin­
          schutz in der Praxis umsetzt. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass diese   den und mit welchen Formblättern man agiert.
          Ausbildung zwar funktioniert, aber viele Mitarbeiter an der praktischen
          Umsetzung scheitern und die Datenschutzvorschriften nur teilweise umset­  Î ÎWas passiert, wenn eine Praxis keinen Datenschutzbeauftragten hat?
          zen können.                                        Der interne Beauftragte für den Datenschutz muss nicht gemeldet werden.
                                                             Diejenigen Praxen, die eine Bestellpflicht für einen Datenschutzbeauftrag­
          Î ÎWie verhält es sich bei Arztpraxen mit weniger als zehn Mitarbeitern?   ten haben, sind jetzt verpflichtet, der Aufsichtsbehörde diesen zu melden
          Diese Praxen müssen eine Person benennen, die für den Datenschutz zu­  und öffentlich zu machen, sei es im Aushang der Praxis oder auf ihrer
          ständig ist. Das kann sowohl der Praxisinhaber als auch ein Mitarbeiter sein.   Homepage. Praxen, die trotz Bestellpflicht keinen Datenschutzbeauftragten
          In diesem Fall sprechen wir nicht von einem „bestellten Datenschutzbeauf­  haben, wurden in der Vergangenheit von den Aufsichtsbehörden lediglich
          tragten“, sondern von einem „intern Beauftragten für den Datenschutz“.   aufgefordert, einen zu benennen. Heute ist das Fehlen eines Datenschutz­
                                                             beauftragten ein Bußgeldtatbestand. Ich gehe aber nicht davon aus, dass
          Î ÎWas erschwert die Umsetzung in der Praxis?      die Behörden aktiv jede einzelne Praxis überprüfen, und es entzieht sich
          Der Datenschutzbeauftragte muss sich um sehr viele Dokumente kümmern,   meiner Kenntnis, ob sie tatsächlich Bußgelder verhängen. Sollte den Behör­
          die jetzt verpflichtend sind. Ein Beispiel ist das Verzeichnis von Verarbei­  den aber ein Datenschutzverstoß gemeldet werden und die Praxis hat kei­
          tungstätigkeiten gemäß Artikel 30 der EU­DSGVO. Vor allem aber muss er   nen Datenschutzbeauftragten gemeldet, muss sich der Praxisinhaber gleich
          genau prüfen, ob die Verträge mit den Auftragsverarbeitern den gesetzli­  wegen zwei Tatbeständen verantworten, dem Vorfall als solchem und der
          chen Anforderungen genügen. Dies ist ein Thema, das man meiner Ansicht   Tatsache, dass er keinen Datenschutzbeauftragten hat.<





        werden die mit einem Sperrvermerk versehe-  akte mitzunehmen, ist bereits im Patienten-  gegen den Datenschutz, da er die Daten nur so
        nen Daten automatisch gelöscht.    rechtegesetz geregelt. Es gibt also, wie vor  lange aufbewahren darf, wie es der Zweck er-
                                           Einführung der EU-DSGVO, noch zahlreiche  fordert („Zweckbindung der Daten“). In der
        Portabilität                       andere Gesetze, die ebenfalls beachtet werden  Regel beträgt diese Aufbewahrungsfrist zehn

        Ebenfalls neu ist die Datenportabilität, die in  müssen. Das macht die Einhaltung des Daten-  Jahre.
        erster Linie Mobilfunkanbieter betrifft, die  schutzes so kompliziert.
                                                                               Informationspflicht
        Daten ihrer Kunden bei einem Providerwechsel   Wenn Patienten ihre Krankenakten mitneh-
        dem neuen Anbieter zur Verfügung stellen  men, müssen Ärzte aufpassen: Wer es gut meint  Ärzte müssen künftig nicht nur die Einwilli-
        müssen. Dass Patienten einen Anspruch darauf  und dem langjährigen Patienten die Kranken-  gung ihrer Patienten zur Datenverarbeitung
        haben, bei einem Arztwechsel ihre Kranken-  daten der letzten 20 Jahre ausdruckt, verstößt  (siehe oben) einholen, sondern diese auch aus-

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