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Titelgeschichte




        che Bundesvereinigung (KBV), Bundesärzte-
        kammer (BÄK) und GKV-Spitzenverband kräf-
        tig ins Horn bliesen.
           Um Telematik und Digitalisierung ging es
        dabei punktuell auch, aber die großen Stra-
        ßenfeger waren zwei andere Themen. Da ist
        zum einen der heute schon legendär zu nen-
        nende Koalitionsvertragspassus, wonach das
        Mindestsprechstundenangebot – dieser Be-
        griff taucht so tatsächlich auf – von im Bereich
        der GKV tätigen Ärzten von 20 auf 25 Stunden
        pro Woche erhöht werden soll. Dem GKV-Spit-
        zenverband gefiel das richtig gut: „Es ist doch
        wohl nicht übertrieben, dass ein Arzt 25 Stun-
        den pro Woche für Sprechstunden aufbringt,
        um 90 Prozent der Bevölkerung zu versorgen.
        Es ist auch nicht zu viel verlangt, dass ein Arzt
        seine Arbeitszeit zugunsten von mehr Sprech-                                                               Abb.: iStockphoto.com © Godruma
        stunden umschichtet“, ließ sich Verbandsche-
        fin Doris Pfeiffer via hauseigenem Twitter-
        Account zitieren. From GKV with Love.
        Streitpunkte Sprechzeiten und Notfälle

        Der KBV kochte dagegen die Galle über.
        KBV-Vize Stephan Hofmeister rechnete süffi-
        sant vor, dass Vertragsärzte heute im Durch-
        schnitt bereits 52 Stunden die Woche arbeite-  Die Ärzte wollen        und „von allen Beteiligten unisono abgelehnt“
        ten und fragte ironisch und mit Hinweis auf                            werde. Was die Ärzte – hier sind sich BÄK und
        ohnehin schon bestehende Nachwuchsproble-  eine dritte Säule           KBV einig – vor allem verhindern wollen, ist
                                                der Notfallversorgung
        me, ob die Politik davon ausgehe, dass Ärzte                           eine dritte Säule der Notfallversorgung. Statt-
        künftig 57 Stunden die Woche schufteten. Er                            dessen wollen die Ärzte die Notfallleitstellen
        hatte auch gleich einen Vorschlag, wo Ärzte   verhindern.              und integrierten Notfallzentren des Koaliti-
        gegebenenfalls kürzen könnten: bei Hausbe-                             onsvertrags als kooperative Einrichtungen
        suchen und bei ambulanten Operationen.                                 von niedergelassenen Ärzten und Kranken-
           Interessant wird dieses Scharmützel vor  in gemeinsamer Finanzierungsverantwortung  häusern verstanden wissen, die über gemein-
        allem dadurch, dass die Bundesregierung in  (unter Aufbau von) Notfallleitstellen und in-  same Apps und gemeinsame Telefonnummern
        Sachen Sprechstundenzeiten in der GKV ei-  tegrierten Notfallzentren.“ Käme das so, wäre  quasi virtuell fusioniert werden.
        gentlich gar nichts zu melden hat. Die derzeit  das schon eine substanzielle Änderung des
                                                                               Notfall-App mit Triagefunktion
        (noch?) mindestens 20 Wochenstunden sind  Status quo, die allerdings nicht völlig aus hei-
        Teil des Bundesmantelvertrags zwischen KBV  terem Himmel kommt. Die Politik greift hier  Auch hier landen wir also schnell wieder bei
        und GKV-Spitzenverband. Es wird interessant  eher Diskussionen auf, die bereits seit Länge-  der Digitalisierung, sobald es an die Details
        sein zu sehen, ob und wenn ja womit, sich die  rem intensiv laufen, nicht zuletzt vor dem  der Umsetzung geht. Auf Initiative der KBV
        KBV eine mögliche Zustimmung zur 25-Stun-  Hintergrund, dass der KV-Notdienst in vielen  hatte die KV Telematik bereits im Herbst 2017
        den-Regelung möglicherweise abkaufen lässt.  Regionen und vor allem Städten zugunsten  den Prototypen einer Notfall-App vorgelegt,
        Immerhin: Ärzte sollen nicht nur länger reden,  oder, je nach Sichtweise, auf Kosten überlau-  die perspektivisch auch Triage-Funktionen
        sie sollen für „sprechende Medizin“ auch mehr  fender Krankenhausnotaufnahmen an Bedeu-  anbieten könnte – sofern die Krankenhäuser
        Geld bekommen – inklusive Honorare für ko-  tung einbüßt. Der Koalitionsvertrag ist hier  mitspielen und die Krankenkassen dafür das
        ordinierende Leistungen wie etwa Terminver-  also eher ein „Jetzt-wird-es-ernst-Signal“.   Geld zur Verfügung stellen. Geld freilich müss-
        mittlungen zum Facharzt. Auch da bleibt span-  BÄK-Chef Frank Ulrich Montgomery war  ten sie für jene dritte Säule, die das G-BA-Pa-
        nend, ob und wie das umgesetzt wird.  der Erste, der bei dem Thema zuschnappte: Er  pier den Krankenkassen vorschlägt und die
           Der zweite postkoalitionäre Aufreger war  gestand der Politik zu, dass die Neuregelung  im Koalitionsvertrag zumindest durchschim-
        die Notfallversorgung. Auch dort ist der Koa-  der Notfallversorgung ein „wichtiges Zu-  mert, genauso in die Hand nehmen. Einen
        litionsvertrag recht explizit. Angestrebt wird  kunftsthema“ sei und teilte dann gleich gegen  kostenneutralen Umbau der Notfallversor-
        „eine gemeinsame Sicherstellung der Notfall-  den Gemeinsamen Bundesausschuss aus, der  gung wird es nicht geben. Es wird also span-
        versorgung von Landeskrankenhausgesell-  derzeit über ein gestuftes Notfallsystem be-  nend. Wieder einmal. Und nicht nur bei der
        schaften und Kassenärztlichen Vereinigungen  rate, das „ein reines Krankenkassenpapier“ sei  Telematik.

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