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Decision Support Wenn auf der Intensivstation wenn es nicht um akute „Alerts“ geht,
der Ammerland-Klinik sondern um medizinisch komplexere,
Westerstede ein Patient ei- vielleicht sogar längerfristige Prognosen
ne Sepsis entwickelt oder wenn ein zu Krankheitsverläufen, die dann Ein-
Organ auszufallen droht, dann hat sich fluss nehmen auf die zu wählenden
vorher oft schon das IT-System gemel- Therapien. IT-Experten sprechen in die-
det. „Wir haben mehrere Alarmsysteme sem Zusammenhang von „prädiktiven
im Informationssystem hinterlegt, dar- Algorithmen“. Die Menge der Daten und
unter einen SIRS-Alarm und einen der Datenquellen, die dafür genutzt
Alarm für Organdysfunktionen“, erläu- wird, ist typischerweise deutlich größer
tert Oberarzt Dr. Andreas Soika. Wann als bei simplen Alert-Systemen für die
genau die IT-Systeme alarmieren, be- Station oder Arztpraxis. Einige sprechen
stimmen nicht Informatiker, sondern deswegen auch von „Big Data“, wobei es
die Westersteder Ärzte selbst. Sie ha- sich dabei um einen marketinggetriebe-
ben Parameter und Parameterkonstel- nen Begriff handelt, der sich im medizi-
lationen festgelegt, bei denen sich die nischen Umfeld gegen die Beg riffe „Ex-
Systeme melden. In den SIRS-Alarm pertensysteme“ und „klinische Analytik“
fließen allgemeine Parameter wie die nicht wirklich abgrenzen lässt.
Herzfrequenz und die Leukozytenkon-
zentration ein. Die Alarmsysteme für Was prädiktive Algorithmen im me-
Organdysfunktionen arbeiten zum Bei- dizinischen Umfeld leisten können, wird
spiel mit dem auf der Blutgasanalyse derzeit vor allem in den USA evaluiert,
basierenden Horovitz-Index oder mit wo mehrere große medizinische Ein-
dem Serumlaktat. richtungen derartige Vorhersagemodel-
le eingeführt haben. Ein Beispiel ist das
Kluge Pfadfinder
Medizinische E xpertensysteme Was in Westerstede genutzt wird und University of Mississippi Medical Center
sind kein neues Thema. dort künftig auch weiter ausgebaut wer- der Universität Georgia, wo seit Ende
Zweifelhafte Patienten-Apps, den soll, ist ein Alarmsystem für Kons- 2014 ein Vorhersagealgorithmus instal-
sogenannte Symptom-Checker, tellationen, die rasches Handeln erfor- liert ist, der Patienten identifiziert, die
haben ihnen jüngst wieder Auf- dern, die vom medizinischen Personal ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte
merksamkeit verschafft. Doch aber oft nicht sofort erkannt werden. haben. Dafür werden Daten aus ganz
die Stärken von Expertensys- Alarmsysteme sind so etwas wie die unterschiedlichen Quellen herangezo-
temen liegen ganz woanders: erste Stufe von medizinischen Experten- gen, neben demographischen Informa-
In digital hoch integrierten systemen. Sie ziehen Daten aus einer tionen auch Laborwerte sowie nicht im
medizinischen Einrichtungen überschaubaren Zahl unterschiedlicher, engeren Sinne medizinische Daten,
können sie zu unverzichtbaren auch dem medizinischen Personal im etwa Informationen über Wohnort und
Assistenten des Arztes der Prinzip zugänglicher Quellen, typischer- soziales Umfeld.
Zukunft werden. Erste Ansätze weise dem Labor- und dem klinischen
dafür gibt es bereits. Informationssystem oder dem Informa- Definitive Daten dazu, wie präzise
tionssystem der Intensivstation bezie- diese Analytik ist, gibt es noch nicht.
hungsweise, in der ambulanten Welt, der Herzinfarktprädiktion ist wissenschaft-
Arztpraxis. Aus diesen Daten berechnen lich gesehen ein Langzeitprojekt. Die
sie mit simplen Algorithmen einen Index, Amerikaner haben aber ihre Erfahrun-
der idealerweise zuvor – wie im Fall der gen genutzt und mittlerweile einen wei-
Sepsis- und SIRS-Indizes – in prospekti- teren prädiktiven Algorithmus einge-
ven Studien evaluiert worden ist. führt, der kurzfristiger angelegt ist,
nämlich die Identifikation von Patienten
Medizinisch und auch vonseiten der mit einem erhöhten Risiko für
Informatik anspruchsvoller wird es, Druckulzera. Auch hierzu gibt es
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