Page 14 - xpress_Ausgabe 24.2
P. 14
TITEL
INTERVIEW Das ist die Zukunft
Was bringt die ePA, und was muss sie können? Fünf Fragen an Erik Bodendieck, niedergelassener
Facharzt für Allgemeinmedizin in Wurzen und Co-Vorsitzender des Ausschusses „Digitalisierung
in der Gesundheitsversorgung“ der Bundesärztekammer (BÄK).
Haben Sie in Ihrer Praxis die derzeitige ePA schon mal genutzt? ben der Krankenkassen dafür aus-
Unsere Software unterstützt das, aber ich hatte noch keinen Patienten, der das reicht. Und dann gibt es diese Plä-
wollte. Insofern: Nein. Ich erkläre den Patientinnen und Patienten aber schon, ne, dass die Krankenkassen Daten ERIK BODENDIECK
was dahintersteckt, auch hinter dem eRezept, und dass das aus meiner Sicht einstellen sollen, Abrechnungsda- BÄK-Ausschuss Digitalisierung
in der Gesundheitsversorgung
die Zukunft und extrem sinnvoll ist. ten und medizinische Altdoku-
mente. Ich verstehe nicht, was das soll. Bei den Altdokumenten fehlt
Welche Voraussetzungen muss die neue ePA erfüllen, Eine den Krankenkassenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern schlicht
um nutzbar zu sein? gesonderte der medizinische Sachverstand, insbesondere wenn es um Din-
Eine gut gemachte ePA erhöht die Patientensicherheit, er- Abrechnungsziffer ge wie eine Verschlagwortung geht.
leichtert die Kommunikation mit den Kolleginnen und Kolle-
gen und spart Zeit bei der Befundbeschaffung. Dazu muss das für die Welche finanzielle Kompensation sollte es für die
System leistungsfähig sein. Up- und Downloads müssen schnell Erstanlage Praxen geben?
gehen. Es muss auch früher oder später eine leistungsfähige Such- Ich würde möglicherweise einen bestimmten Prozentsatz auf die
funktion geben. Die Umsetzung in der Praxis-IT muss einfach und ein normale Konsultationspauschale aufschlagen, den wir dann beispiels-
Stück weit selbsterklärend sein. Ein Beispiel: Wenn ich ein Dokument einstel- weise ePA-Anteil nennen könnten. Für die Erstanlage bedarf es noch mal ei-
len will, dann darf es maximal eine Nachfrage geben, maximal einen zusätz- ner gesonderten Abrechnungsziffer.
lichen Klick. Und natürlich sollte eine ePA im realen Versorgungsbetrieb um-
fassend getestet werden, bevor sie ausgerollt wird. Ich bin deswegen sehr Die neue ePA wird eine Opt-out-ePA. Es gibt Zahlen aus den Nachbar-
skeptisch, was den Einführungstermin Mitte Januar 2025 angeht. Das halte ich ländern: ein Prozent Opt-out in Österreich, sieben Prozent in Liechtenstein.
nicht für machbar. Wo landet Deutschland?
Seriös kann ich das nicht sagen, aber auch wir werden sicherlich unter zehn
Es gibt die Sorge, dass viel der Erklärarbeit in den Arztpraxen Prozent bleiben. Müssen wir auch, denn sonst macht das irgendwann keinen
hängen bleibt. Sehen Sie das auch so? Sinn mehr. Gerade mit Blick auf die Forschung sollte die Teilnahmequote so
Ja. Wir werden insbesondere in der Einführungsphase vielen Patientinnen und hoch wie möglich sein. Wir sollten in einer nächsten Pandemie nicht wieder
Patienten die ePA erst mal erklären müssen. Ich glaube nicht, dass ein Anschrei- auf Daten anderer Länder angewiesen sein.<
Zielbild. Wichtig wird das insbesondere beim digital gestützten Wir sind noch ale Medien informieren. Aber dabei wird es nicht bleiben. „Das
Medikationsprozess, der gerade in hausärztlichen Praxen extrem wird die größte Anschreibe-Aktion, die wir je gestemmt haben“,
relevant ist und der deswegen hoch effizient funktionieren muss längst nicht sagt Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der
(siehe Interview auf Seite 12). Techniker Krankenkasse.
am Ziel, aber
Größte Anschreibe-Aktion aller Zeiten wir sind auf Auf dem Weg zur digitalen Gesundheitsplattform?
Nicht nur für die Praxis-IT-Branche wird 2024 in Sachen ePA ein ar- Längerfristiges politisches Ziel ist es, die ePA nicht zu einem rei-
beitsreiches Jahr. Auch die Krankenkassen stehen vor großen Auf- dem besten nen Dokumenten-Safe werden zu lassen. Das ist in Österreich
gaben. Sie müssen die existierenden ePA-Apps weiterentwickeln Weg, ein passiert, wo die ELGA schon seit vielen Jahren existiert, sich aber
und die „alte ePA“ in die „neue ePA“ überführen. Und sie müssen kaum weiterentwickelt. Am Ende soll vielmehr eine interaktive,
ihre Versicherten umfangreich informieren. Geplant ist, dass die wirklich res- digitale Plattform stehen. Sie soll Daten für die Versorgungsfor-
neue ePA am 15. Januar 2025 für alle GKV-Versicherten angelegt pektables und schung zur Verfügung stellen können. Und sie soll als „Andock-
wird, sofern diese zuvor nicht widersprochen haben (Stand Feb- stelle“ für sogenannte Mehrwertdienste fungieren, die den Ver-
ruar 2024). Dabei gilt eine sechswöchige Widerspruchsfrist – das bodenständi- sicherten einen spürbaren Zusatznutzen bringen.
bedeutet, dass die Krankenkassen spätestens im Herbst 2024 auf Gedacht wird hier unter anderem an Anwendungen für Re-
ihre Versicherten aktiv zugehen und über die Widerspruchsopti- ges Ergebnis zeptverwaltung und Terminbuchung. Aber auch künftige digita-
on aufklären müssen. Bei Widersprüchen, die vor dem Starttermin zu erreichen. le Kommunikationswege zwischen Arztpraxen und Patientinnen
eingehen, wird für die betreffende Person keine ePA angelegt. und Patienten könnten in den ePA-Kosmos integriert werden.
Bei späteren Widersprüchen wird die bereits existierende ePA ge- Joachim Maurice Mielert TK-Vize Ballast lehnt sich weit aus dem Fenster: „Die neue ePA
löscht. Alle Versicherten sollen oder müssen individuell kontak- Generalsekretär Aktionsbündnis sollte wie das erste iPhone werden“ – also eine völlig neue Ära
tiert werden. Krankenkassen werden über die ePA und die Wider- Patientensicherheit (APS) der Kommunikation im Gesundheitswesen einläuten. Aber bis da-
spruchsoptionen über Mitgliedermagazine, Webseiten und sozi- hin ist es noch ein ganzes Stück Weg.< $ PHILIPP GRÄTZEL
14 02
24