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Porträt
sich herausstellt, ist das genau das Richtige
für sie. Buhlinger-Göpfarth hat ihre Berufung
gefunden – sie will Ärztin werden. Weil sie mit
dem Marburger Wetter hadert, tauscht sie den
Studienplatz und schließt ihr Studium in Hei-
delberg ab. Hier promoviert sie auch, die
Approbation folgt 1999.
Nach ihrem Studienabschluss beginnt die
Medizinerin ihre Ausbildung zur Assistenzärz-
tin in der gynäkologischen Abteilung des
Städtischen Klinikums Pforzheim, einem Lehr-
krankenhaus der Universität Heidelberg. Zu
dem Zeitpunkt hat sie allerdings schon zwei
ihrer drei Kinder und erlebt, wie schwierig das
Berufsleben für Mütter werden kann: Ein ver-
ständnisloser Chefarzt, 72-Stunden-Dienste
und eine halbe Stelle, auf der sie aber faktisch
Vollzeit arbeitet. „Für Frauen mit Kindern ist
die Klinik ein lebensfeindlicher Ort“, so ihre
Abb.: Photo planet Erkenntnis. Nach eineinhalb Jahren hat die jun-
ge Mutter genug, verlässt die gynäkologische
PROF. DR. NICOLA BUHLINGER-GÖPFARTH Abteilung und geht in die Innere Medizin –
schon mit der Idee, so schnell wie möglich aus
dem stationären Bereich herauszukommen.
Ärztin und Mutter
2001 schließt Buhlinger-Göpfarth ihre
Facharztausbildung ab und lässt sich 2002 mit
einer Praxis für Allgemeinmedizin in Huchen-
feld, einem Ortsteil von Pforzheim, nieder. Zu
diesem Zeitpunkt hat sie drei kleine Kinder. Sie
Die
an, was ihr aufgrund der anfänglich geringen
rofessorin Nicola Buhlinger-Göpfarth hat wagt eine Neugründung, fängt somit bei null
gleich mehrere Berufe: Sie arbeitet als Patientenzahl paradoxerweise hilft, ihr Fami-
PAllgemeinmedizinerin und Lehrbeauf- lienleben besser mit dem Beruf zu vereinbaren.
tragte an der Universität Heidelberg sowie Heute arbeitet sie in Pforzheim in
als Professorin an der EU|FH Köln. Außerdem Kämpferin einer Gemeinschaftspraxis mit
ist sie Vorstandsmitglied der Spitzenfrauen drei anderen A� rztinnen und sechs
Gesundheit e. V. sowie Vorstandsmitglied des Medizinischen Fachangestellten
Deutschen Hausärzteverbandes (Landesver- zusammen, gemeinsam versorgen
band Baden-Württemberg). Bei derart vielen sie 2 500 Patienten je Quartal.
Die niedergelassene Ärztin Prof.
Aufgaben die Balance zu halten, ist gar nicht Ein Grund für ihren Wegzug von Heidelberg
Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
so einfach, aber Buhlinger-Göpfarth gefällt es. war die Kinderbetreuung, die in Pforzheim
Dass sie einmal Ärztin werden würde, hat- engagiert sich berufspolitisch, besser zu stemmen war, weil ihre Mutter und
unter anderem im Vorstand
te sie ursprünglich nicht geplant. Die im Jahr Schwiegermutter vor Ort waren. „Ich erinnere
des Vereins „Spitzenfrauen
1969 in Pforzheim geborene Medizinerin kann mich, dass unser Jüngster eine Sondergeneh-
Gesundheit“, und nimmt zusätz-
sich nach der Schule viele Berufe vorstellen, migung brauchte, um mit zweieinhalb Jahren
in denen sie später einmal arbeiten will: in den Kindergarten aufgenommen zu werden.
lich zwei Lehraufträge wahr.
Schreinerin, Journalistin oder Juristin kom- Ich wurde von der Kindergartenleitung zu ei-
men für sie infrage. Nach dem Abitur entschei- nem Gespräch zitiert, um darzulegen, wie ich
det sie sich schließlich für das Studium der mir die Betreuung eines so jungen Kindes vor-
Psychologie an der Universität in Marburg. stelle. Das ist mehr als zwanzig Jahre her, aber
„Das Studium war staubtrocken, außer Patho- das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Fami-
physiologie“, erinnert sie sich. Sie entschließt lie ist für Kolleginnen und Kollegen immer noch
sich, das Studienfach zu wechseln und ihr ein Dauerbrenner“, berichtet sie. Solche und
Glück in der Humanmedizin zu suchen. Wie ähnliche Ereignisse haben sie bewogen, in die
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