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Thema
Ärgernis Arzneimittelverordnung IT-Helpdesk der Klinik, der Support der ambu- tenformaten. „Wir haben stundenlang mit der
Bei der HNO-A� rztin mit einem anderen IT-Sys- lanten MVZ-Software und der Support des IT verbracht, um dieses Rätsel zu lösen.“ Er-
tem klingt das ähnlich. Auch bei ihr ist die Arz- Spezialsystems. Die Realität: Bei vielen Fragen folglos. Immerhin: Der Ehrgeiz des IT-Mitar-
neimittelverordnung ein Kernthema. Manch- fühlt sich keiner zuständig. Und am Ende hasst beiters war geweckt, am nächsten Tag kam ein
mal ist ihr ihre IT einfach nur peinlich: „Die der Nephrologe die IT. Anruf: Es gebe da noch eine Möglichkeit.
Patienten und ich, wir sitzen bei der Verord- Beispiele? Ohne Ende. „Wir digitalisieren Die Lösung sah so aus, dass der Drucker auf
nung so halb nebeneinander.“ Sie zeigt auf den gerade unsere Papierakten.“ Vielversprechen- dem Arbeitsplatz des Nephrologen dreimal
Schreibtisch im Behandlungszimmer. „Das der Gesprächsbeginn. Die Idee: Bei Patienten, angelegt wurde, einmal für Rezepte, einmal für
heißt, die gucken mir zu und warten, wie ich die bereits stationär behandelt wurden, das Überweisungen und einmal für Stan-
sind die meisten, soll ein eigener Transplanta- dard-A4-Drucke. Wählt er jetzt jeweils die
„Wenn nachts ein Patient tionsordner in der Patientenakte der Klinik richtige Druck-Pipeline aus, dann funktioniert
kommt, dann liest du in angelegt werden. Das wurde drei Monate lang die Chose. Das allerdings ist an den Arbeits-
versucht und dann aufgegeben. Stattdessen platz-Account des Nephrologen gekoppelt. Soll
der eAkte erst mal 70 werden die gescannten Dokumente jetzt kom- heißen: Loggt sich ein Kollege an dem Compu-
Seiten durch, und dann plett und weitgehend unsortiert mit Datum des ter mit eigenem Account ein und will drucken,
Scans als neue Einträge in die digitale Patien- dann geht die Party los und der Arztbrief landet
findest du vielleicht, tenakte aufgenommen. Die Folge: Fröhliches im Rezept-Fach oder das Rezept wird als
Dokumentensuchen: „Wenn Sie im Nachtdienst A4-Poster auf Weißpapier gedruckt.
was du brauchst. ein Organangebot haben, dann sehen Sie erst Was den Kolleginnen und Kollegen komplett
Oder auch nicht.“ mal die Anästhesie-Aufklärung, denn die ist gegen den Strich geht, ist die Rolle, in die sie
aktuell. Dann müssen Sie noch 70 Seiten lesen, gedrängt werden, wenn sie IT-Probleme haben.
bis Sie unter irgendeinem Datum X vielleicht Die HNO-Ärztin beschreibt es so: „Du hast bei
mich mit meiner IT beschäftige. Und dann finden, was Sie gesucht haben. Und meistens Problemen immer das Gefühl, du bist in einer
kommt halt der Spruch: ‚Frau Doktor, Sie haben steht das Dokument auch noch auf dem Kopf.“ Rechtfertigungssituation. Telefonisch er-
es wohl nicht so mit Computern.‘ Das ist schon reichst du oft keinen, und wenn du eine Mail
Nadeldrucker verweigert
frustrierend.“ Es gibt auch andere Patienten, schreibst, bekommst du erst mal eine flapsige
die jünger sind und die vielleicht sogar ein biss- Auch der Nephrologe weiß genau, wann er sich Blödantwort, die dir suggeriert, dass du der
chen was von Software verstehen: „Wenn ich das letzte Mal so richtig über die IT aufgeregt letzte Trottel bist. Man würde sich wünschen,
bei denen den Monitor drehe und ihnen die hat. Das war vor ein paar Tagen. Da war näm- es gäbe jemanden, der für einen da ist, der am
Software zeige, dann lachen die mich aus und lich der alte Rezeptdrucker kaputt, und es besten einmal die Woche kommt und fragt: ‚Ist
sagen, das sehe aus wie vor 30 Jahren.“ musste ein neuer her. Der IT-Support schlepp- alles gut bei Ihnen? Können wir noch was für
Szenenwechsel zum Nephrologen an ein te beim Stichwort „neu“ einen Nadeldrucker an Sie tun?‘ Die Realität ist das komplette Gegen-
universitäres Klinik-MVZ. Dort ist die Aus- – keine zwingende Entscheidung in einem teil.“
gangslage insofern eine andere, als an der MVZ, das so gut wie keine BtM-Rezepte aus-
Gängelung für bessere Versorgungsqualität
Schnittstelle zwischen ambulanter und statio-
närer Versorgung therapiert und dokumentiert „Bei uns gibt es einen Das bisher Geschilderte ist die Hintergrund-
wird und gleichzeitig auch noch eine Hochschul- musik bei der Suche nach Antworten auf die
IT-Verantwortlichen für
ambulanz „bespielt“ werden muss. Ergebnis: Frage, warum A� rzte IT hassen. Doch natürlich
Dokumentiert wird – je nach Patient – in einer sind Service-Wüsten, Usability-Probleme und
ambulanten Arztsoftware oder in einem Kli- das MVZ, der ist so, wie Systemabstürze nicht alles. Wer die komplexe
man sich IT-Support vor-
niksystem. Beide kommunizieren mehr schlecht Beziehung zwischen Arzt und IT verstehen
als recht mit dem Laborsystem. Problemlosen will, muss zusätzlich die „politische Digitali-
Zugriff auf Bilddaten? Nur bei den Patienten der stellt. Am Ende habe ich sierung“ in den Blick nehmen – denn gesetzli-
Hochschulambulanz. Für die Patienten, die nie- das Gefühl, ich bin eine che Anforderungen, die sich direkt oder indi-
rentransplantiert sind, gibt es ein eigenes rekt auf die IT auswirken und dort Probleme
Nervensäge und ein
IT-System – unabhängig davon, ob sie über die verursachen, mögen technisch aussehen, sind
Hochschulambulanz oder das MVZ kommen. Blödmann.“ im Kern aber organisatorischer und regulato-
Aus Sicht der beteiligten Einrichtungen rischer Natur.
macht diese ganze Konstruktion administrativ Ein Beispiel, das fast alle Ärzte präsent ha-
viel Sinn. Auch die Patienten profitieren letzt- stellt. Entsprechend blitzte der IT-Sup- ben, sind die Nutzenbewertungen des Gemein-
lich, sind sie doch quasi gleichzeitig ambulant port-Mitarbeiter ab: „Den Nadeldrucker habe samen Bundesausschusses (G-BA) – letztlich
versorgt und ans spezialisierte Zentrum ange- ich verweigert, weil da verstehe ich mein eige- eine kleine Nebenbaustelle. Die G-BA-Meldun-
bunden. Der Nephrologe allerdings hat so sei- nes Wort nicht mehr“, so der Arzt. Tags darauf gen werden in den Verordnungsvorgang an
ne Schwierigkeiten, und die treten im Alltag kam ein moderner, leiser Druckerturm. Der irgendeiner Stelle eingeblendet, weil der Ge-
an der IT zutage, genauer am IT-Support. Denn wiederum hatte Schwierigkeiten mit den un- setzgeber das so wollte und die IT-Hersteller
zuständig sind gleich mehrere Stellen: der terschiedlichen IT-Systemen und Dokumen- verpflichtet waren, es umzusetzen. Lesen tut
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