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Titelgeschichte




        die ePA – wenn auch zunächst nur mit Doku-  loten die Spielräume weiter aus“, sagt von  Bundesgesundheitsministeriums empfehlen
        menten – befüllen zu können. Die Nutzung   Kielmansegg. „Auch dort gilt die DSGVO, und  fünf Wissenschaftler, unter ihnen Sebastian
        erster MIOs soll ab Januar 2022 möglich sein,  dennoch sind sie uns in Sachen Digitalisierung  Graf von Kielmansegg, die Einwilligung von
        nämlich der MIOs zum Mutter- und Impfpass  weit voraus.“               der medizinischen Behandlung loszulösen. Als
        sowie zum Zahnbonusheft. Später sollen wei-  Um die Rechtsunsicherheit zu umschiffen,  Alternative schlagen sie eine Widerspruchs-
        tere dazukommen, etwa der Anamnesebogen  greifen die meisten Forschungseinrichtungen  lösung vor, wie sie Bundesgesundheitsminis-
        und der Krankenhaus-Entlassbrief. Der Versi-  auf die in der DSGVO verankerte Einwilli-  ter Jens Spahn für die Organspende, wenn auch
        cherte kann dann wählen, welche MIOs er  gungsregelung, also die unmittelbare Daten-  vergeblich, auf den Weg bringen wollte. Nach
        Dritten freigeben möchte. Diese werden ano-  freigabe, zurück. Allerdings ist es mit der  dem Motto „Wer schweigt, ist einverstanden“
        nymisiert, mit einer anonymen Kennung ver-  Einwilligung so eine Sache: Für die Patienten  wird dabei die Zustimmung der Patienten so
        sehen und an das FDZ übermittelt. Die Ken-  bedeutet sie zunächst einmal einen Papier-  lange vorausgesetzt, bis sie sie ausdrücklich
        nung und ein Lieferpseudonym des Versicher-                            widerrufen. „Dabei will man nicht über die
        ten werden zu einem zweiten Datenpaket                                 Köpfe der Betroffenen hinweggehen“, unter-
                                               Wissenschaftler fordern
        zusammengeschnürt, das an die Vertrauens-                              streicht von  Kielmansegg. „Die Menschen sol-
        stelle beim Robert Koch-Institut geschickt und   Widerspruchslösung bei   len eine reale Chance bekommen, ihren Wider-
        dort  in  ein  periodenübergreifendes  Lie-                            spruch zu äußern. Dafür müssen sie genauso
        ferpseudonym umgerechnet wird. Letzteres   der Datenspende.            umfänglich aufgeklärt werden wie beim Ein-
        geht dann ebenfalls ans FDZ. Sollte der Versi-                         willigungsmodell. Sie müssen die Informatio-
        cherte zu einem späteren Zeitpunkt weitere                             nen aber nicht sofort verdauen, sondern dann,
        MIOs freigeben oder seine Daten zurückfor-  und möglicherweise auch Nervenkrieg. An den  wenn sie Zeit haben.“
        dern,  fungiert  das  Lieferpseudonym  als  Universitätskliniken erhalten sie bei der Auf-  Zunehmend kommen Einwilligungserklä-
        Schlüssel, mit dem Daten wiedergefunden und  nahme einen Aufklärungsbogen, der durchaus  rungen zum Einsatz, die nicht exakt auf eine
        dem Versicherten zugeordnet werden können.  zehn Seiten und mehr umfassen kann. In einer  einzige Forschungsfrage zugeschnitten, son-
        „Die Sicherheit der Daten in der ePA wird durch  Situation, in der viele Patienten von der Aus-  dern möglichst breit gefasst sind. Die Medizin-
        eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gewähr-  sicht auf den bevorstehenden Krankenhaus-  informatik-Initiative (MII), ein Vorhaben des
        leistet“, betont Lena Dimde. „Nur der Patient  aufenthalt schon genug gestresst sind, sollen  Bundesforschungsministeriums mit dem Ziel,
        entscheidet, wer darauf Zugriff erhält.“  sie auch noch der Nutzung ihrer Daten zustim-  Patientendaten aus der Routineversorgung
                                            men. In einem Gutachten zur Datenspende für  bundesweit digital zu vernetzen und pseudo-
        Andere Länder zeigen, wie es gehen kann  die medizinische Forschung im Auftrag des  nymisiert für die Forschung nutzbar zu
        So weit, so klar. Die unmittelbare Datenfreiga-
        be indes steht auf tönernen Füßen. Die zugrun-
                                              INFO
        de liegenden gesetzlichen Regelungen gleichen   TRANSFERMODELLE FÜR DIE MEDIZIN DER ZUKUNFT
        einem Flickenteppich, den noch dazu jedes
        Bundesland auf seine eigene Weise ausrollt.   DATEN TEILEN. Für die meisten Menschen sind die Hausarztpraxen oder das regionale Krankenhaus die
        Datenspenden gehen im föderalistischen Cha-  erste Anlaufstelle, wenn sie gesundheitliche Probleme haben. Die Medizininformatik-Initiative (MII) er-
        os unter. „Nicht nur die Nutzung, sondern auch   probt derzeit in sechs „Digitalen FortschrittsHubs“, wie die dort anfallenden Behandlungsdaten in die
        die Nichtnutzung von Daten ist ein ethisches   medizinische Forschung fließen können. Die Hubs sind jeweils an eines der Datenintegrationszentren
        Problem“, sagt Sebastian Graf von  Kielmansegg,   angebunden, die in den ersten fünf Jahren der MII an den Universitätskliniken etabliert worden sind. In
        Professor für O� ffentliches Recht und Medizin-  den Hubs werden nun Modelle entwickelt, wie der Datentransfer sektorenübergreifend – von der Haus-
        recht an der Christian-Albrechts-Universität   arztpraxis über das örtliche Krankenhaus bis hin zu Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen – und
        zu Kiel (CAU) – insbesondere vor dem Hinter-  zwischen regionalen Akteuren, Unikliniken und Forschungseinrichtungen funktionieren kann.
        grund, dass täglich Millionen von Gesundheits-  Einer davon ist der MIDIA-Hub, an dem das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität
        daten außerhalb der Europäischen Union von   München, das Universitätsklinikum Erlangen und Siemens Healthineers beteiligt sind. Sie bauen ge-
        Wissenschaftlern  genutzt  werden  können,   meinsam ein Ärzteportal für die Nachsorge von Krebspatienten auf. Dort sollen sich Unikliniken, re-
        während die Forschung hierzulande auf dem   gionale Krankenhäuser, ambulante Versorger und Reha-Einrichtungen miteinander vernetzen und
        Trockenen sitzt. „Schuld daran ist nicht der   Patientendaten teilen können, damit alle Beteiligten immer auf dem neuesten Stand sind. Neben
        Datenschutz generell, sondern die stark risi-  dem Ärzteportal soll ein Patientenportal den Menschen ermöglichen, eigene Daten – etwa zu ihrem
                                               Wohlbefinden und ihrem Krankheitszustand – den behandelnden Ärzten, aber auch der Gesund-
        kofixierte Debatte, die wir darüber führen“,
                                               heitsforschung, digital zur Verfügung zu stellen. „Über das Portal können sie unter anderem der
        unterstreicht von  Kielmansegg.
                                               Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken zustimmen, ihre Einwilligung aber auch jederzeit mit
           Das ist umso frustrierender, da andere Län-
                                               wenigen Mausklicks widerrufen“, erklärt MIDIA-Hub-Koordinator Professor Hans-Ulrich  Prokosch. Er
        der erfolgreich demonstrieren, wie es gehen
                                               leitet den Lehrstuhl für Medizinische Informatik am Institut für Medizininformatik, Biometrie und
        kann. Die europäische Datenschutz-Grundver-
                                               Epidemiologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. „Außerdem sollen sie genau
        ordnung (EU-DSGVO) ermöglicht schon heute
                                               verfolgen können, wie ihre pseudonymisierten Daten für welche Forschungsfragen genutzt werden
        die Verarbeitung personenbezogener medizi-
                                               – und was dabei herauskommen wird.“<
        nischer Daten, insbesondere zu Forschungs-
        zwecken. „Dänemark, Schweden oder Estland
                                                                                                             x.press 22.1   13
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