Page 11 - xpress_Ausgabe 21.1
P. 11

Titelgeschichte




                                                    ährend des Lockdowns haben viele  rell zeigt sich, dass der Digitalisierungsgrad
                                                    Praxen begonnen, ihren Patienten  mit der Praxisgröße über alle Bereiche des
                                             W Videosprechstunden anzubieten.  Praxismanagements hinweg deutlich an-
                                             Allerdings fehlten und fehlen für eine vollstän- steigt“, heißt es in dem Bericht. Auch bei ihrem
                                             dig virtuelle Behandlung noch die Möglichkei- „Kerngeschäft“ setzen immer mehr Ärzte auf
                                             ten, Patienten ein eRezept und eine eAU aus- IT. Das Praxisbarometer 2019 kam ebenfalls
                                             zustellen und zu übersenden. Mittlerweile  zum Ergebnis, dass bereits zwei Drittel der
                                             jedoch wollen viele Ärzte diese oftmals „aus  deutschen Hausarztpraxen digitale Anwen-
                                             der Not geborene“ digitale Möglichkeit der  dungen zur Erhöhung der Arzneimittelthera-
                                             Patientenkommunikation nicht mehr missen.  piesicherheit nutzen und ein knappes Viertel
                                             Dieses Beispiel zeigt, dass die Pandemie auch  Geräte für die Ferndiagnostik, beispielsweise
                                             bei den niedergelassenen Ärzten der Digitali- zur Messung von EKG, Blutdruck, Gewicht
                                             sierung einen Schub verlieh – wie in vielen  oder Gerinnungsfaktoren in den Praxisalltag
                                             anderen Bereichen des wirtschaftlichen, so- integriert hat.
                                             zialen und kulturellen Lebens auch.    Der Bericht benennt jedoch auch Bereiche,
                                               Trotz der gerade in der Pandemie positiven  in denen Nachholbedarf in Sachen Digitalisie-
                                             Erfahrungen blicken viele niedergelassene  rung besteht. Obwohl fast 80 Prozent der me-
                                             Ärzte mit gemischten Gefühlen auf die Digi- dizinischen Geräte in den Hausarztpraxen
                                             talisierung. Einerseits ist sie hilfreich, ande- über Schnittstellen verfügen, haben nur ein
                       DIGITALISIERUNG DER ARZTPRAXIS
                       Fluch oder Segen?







                        In den kommenden
                        Quartalen steht die   rerseits macht sie abhängig: Ein Computer- Drittel der Ärzte diese Geräte an ihre Praxis-
                        Einführung einer     problem kann mittlerweile den Praxisbetrieb  software angeschlossen. Bei der IT-basierten
                        ganzen Reihe von     komplett lahmlegen. Dennoch besteht Kon- Kommunikation sehen die Autoren der Studie
                        digitalen Anwendun-  sens, dass digitale Anwendungen die Praxis- ebenfalls Verbesserungspotenzial: Zum Stand
                        gen in den Alltag der   abläufe verbessern und die ärztliche Arbeit  der Erhebung kommunizierten rund 85 Pro-
                                             unterstützen können. Jedoch erfordern die  zent der Praxen überwiegend in Papierform
                        Praxen an. Die Ärz-  neuen Anwendungen auch Aufwand in Zeit  und per Fax mit ihren Kollegen. Auch der Aus-
                        teschaft steht dieser   und Geld – und nicht selten sind dies Funkti- tausch von Behandlungsdaten mit Kranken-
                        Herausforderung      onen, aus denen die Ärzte für sich weder pro- häusern findet mehrheitlich papier-/faxba-
                        positiv gegenüber,   zessual noch medizinisch einen Nutzen ablei- siert statt, was für beide Seiten Mehraufwand
                        schaut jedoch mit    ten können. Vor diesem Hintergrund fragen  bedeutet: Der Arzt im Krankenhaus muss zum
                        Sorge auf die Ent-   sich viele Ärzte, ob die Digitalisierung für sie  Beispiel oft mit dem Überweiser kommunizie-
                        wicklung, dass sich   eher Fluch oder eher Segen ist.    ren, weil der Patient nicht alle notwendigen
                        die Asymmetrie zwi-  Aufgeschlossen gegenüber Digitalisierung  Unterlagen mitgebracht hat; der niedergelas-
                                                                                sene Arzt muss den vom Patienten mitge-
                        schen den Trägern    Im Kern stehen die Ärzte und Psychothera-  brachten Arztbrief scannen, um ihn in der
                        des mit der Digitali-  peuten sowie ihre Mitarbeiter den neuen di-  digitalen Patientenakte abzulegen.
                        sierung verbundenen   gitalen Anwendungen positiv gegenüber. An-  Den Umfrageergebnissen zufolge stehen
                        Aufwandes und den    derenfalls wäre die Digitalisierung in den  Praxen trotz mancher Defizite in einigen Be-
                        Nutznießern dieser   Praxen nicht so weit vorangeschritten, wie  reichen „dem Digitalisierungsfortschritt meist
                        Anwendungen weiter   eine Umfrage unter niedergelassenen Ärzten  positiv“ gegenüber. Von der Digitalisierung
                        verschärft.          im Auftrag der KBV feststellte. Laut „KBV-Pra-  versprechen sich viele Ärzte eine verbesserte
                                             xisbarometer 2019“ haben rund drei Viertel  Kommunikation mit den Krankenhäusern und
                                             der Arztpraxen ihre Patientendokumentation  den niedergelassenen Kollegen. Aufgeschlos-
                                             digitalisiert; die Hälfte aller Praxen organi-  sen sind die meisten Ärzte auch gegenüber
                                             siert inzwischen ihre Termine und Warte-  digitalen Diensten, die sie ihren Patienten
                                             zeiten fast vollständig digital, und auch das  anbieten können. Fast 70 Prozent der Befrag-
                                             Qualitätsmanagement erledigt ein Fünftel der  ten bewerten den Nutzen des elektronischen
                                             Praxen bereits mit IT-Unterstützung. „Gene-  Medikationsplans für die Praxis und den

                                                                                                             x.press 21.1   11
   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16