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Titelgeschichte
ährend des Lockdowns haben viele rell zeigt sich, dass der Digitalisierungsgrad
Praxen begonnen, ihren Patienten mit der Praxisgröße über alle Bereiche des
W Videosprechstunden anzubieten. Praxismanagements hinweg deutlich an-
Allerdings fehlten und fehlen für eine vollstän- steigt“, heißt es in dem Bericht. Auch bei ihrem
dig virtuelle Behandlung noch die Möglichkei- „Kerngeschäft“ setzen immer mehr Ärzte auf
ten, Patienten ein eRezept und eine eAU aus- IT. Das Praxisbarometer 2019 kam ebenfalls
zustellen und zu übersenden. Mittlerweile zum Ergebnis, dass bereits zwei Drittel der
jedoch wollen viele Ärzte diese oftmals „aus deutschen Hausarztpraxen digitale Anwen-
der Not geborene“ digitale Möglichkeit der dungen zur Erhöhung der Arzneimittelthera-
Patientenkommunikation nicht mehr missen. piesicherheit nutzen und ein knappes Viertel
Dieses Beispiel zeigt, dass die Pandemie auch Geräte für die Ferndiagnostik, beispielsweise
bei den niedergelassenen Ärzten der Digitali- zur Messung von EKG, Blutdruck, Gewicht
sierung einen Schub verlieh – wie in vielen oder Gerinnungsfaktoren in den Praxisalltag
anderen Bereichen des wirtschaftlichen, so- integriert hat.
zialen und kulturellen Lebens auch. Der Bericht benennt jedoch auch Bereiche,
Trotz der gerade in der Pandemie positiven in denen Nachholbedarf in Sachen Digitalisie-
Erfahrungen blicken viele niedergelassene rung besteht. Obwohl fast 80 Prozent der me-
Ärzte mit gemischten Gefühlen auf die Digi- dizinischen Geräte in den Hausarztpraxen
talisierung. Einerseits ist sie hilfreich, ande- über Schnittstellen verfügen, haben nur ein
DIGITALISIERUNG DER ARZTPRAXIS
Fluch oder Segen?
In den kommenden
Quartalen steht die rerseits macht sie abhängig: Ein Computer- Drittel der Ärzte diese Geräte an ihre Praxis-
Einführung einer problem kann mittlerweile den Praxisbetrieb software angeschlossen. Bei der IT-basierten
ganzen Reihe von komplett lahmlegen. Dennoch besteht Kon- Kommunikation sehen die Autoren der Studie
digitalen Anwendun- sens, dass digitale Anwendungen die Praxis- ebenfalls Verbesserungspotenzial: Zum Stand
gen in den Alltag der abläufe verbessern und die ärztliche Arbeit der Erhebung kommunizierten rund 85 Pro-
unterstützen können. Jedoch erfordern die zent der Praxen überwiegend in Papierform
Praxen an. Die Ärz- neuen Anwendungen auch Aufwand in Zeit und per Fax mit ihren Kollegen. Auch der Aus-
teschaft steht dieser und Geld – und nicht selten sind dies Funkti- tausch von Behandlungsdaten mit Kranken-
Herausforderung onen, aus denen die Ärzte für sich weder pro- häusern findet mehrheitlich papier-/faxba-
positiv gegenüber, zessual noch medizinisch einen Nutzen ablei- siert statt, was für beide Seiten Mehraufwand
schaut jedoch mit ten können. Vor diesem Hintergrund fragen bedeutet: Der Arzt im Krankenhaus muss zum
Sorge auf die Ent- sich viele Ärzte, ob die Digitalisierung für sie Beispiel oft mit dem Überweiser kommunizie-
wicklung, dass sich eher Fluch oder eher Segen ist. ren, weil der Patient nicht alle notwendigen
die Asymmetrie zwi- Aufgeschlossen gegenüber Digitalisierung Unterlagen mitgebracht hat; der niedergelas-
sene Arzt muss den vom Patienten mitge-
schen den Trägern Im Kern stehen die Ärzte und Psychothera- brachten Arztbrief scannen, um ihn in der
des mit der Digitali- peuten sowie ihre Mitarbeiter den neuen di- digitalen Patientenakte abzulegen.
sierung verbundenen gitalen Anwendungen positiv gegenüber. An- Den Umfrageergebnissen zufolge stehen
Aufwandes und den derenfalls wäre die Digitalisierung in den Praxen trotz mancher Defizite in einigen Be-
Nutznießern dieser Praxen nicht so weit vorangeschritten, wie reichen „dem Digitalisierungsfortschritt meist
Anwendungen weiter eine Umfrage unter niedergelassenen Ärzten positiv“ gegenüber. Von der Digitalisierung
verschärft. im Auftrag der KBV feststellte. Laut „KBV-Pra- versprechen sich viele Ärzte eine verbesserte
xisbarometer 2019“ haben rund drei Viertel Kommunikation mit den Krankenhäusern und
der Arztpraxen ihre Patientendokumentation den niedergelassenen Kollegen. Aufgeschlos-
digitalisiert; die Hälfte aller Praxen organi- sen sind die meisten Ärzte auch gegenüber
siert inzwischen ihre Termine und Warte- digitalen Diensten, die sie ihren Patienten
zeiten fast vollständig digital, und auch das anbieten können. Fast 70 Prozent der Befrag-
Qualitätsmanagement erledigt ein Fünftel der ten bewerten den Nutzen des elektronischen
Praxen bereits mit IT-Unterstützung. „Gene- Medikationsplans für die Praxis und den
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