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Titelgeschichte
erden wir zu einem Volk der Selbst- andere Lösungen, darunter auch intelligente
vermesser? Umfragen der vergan- Pillen.
Wgenen Jahre deuten darauf hin. So
Intelligente Pflaster auf dem Vormarsch
hat das Beratungsunternehmen Pricewater-
houseCoopers im Juni 2018 in einer On- „Wir gehen davon aus, dass bis Ende 2023 rund
lineumfrage unter 1 000 Personen ermittelt, 30 Prozent aller weltweit angebotenen Wea-
dass bereits heute rund 15 Prozent der Deut- rables – die nichtmedizinischen mit einbezo-
schen ein sogenanntes Wearable verwenden. gen – auf intelligente Pflaster entfallen“, sagt
In den nächsten Jahren könnten laut der Um- Christian Stammel, der mit seinem Unterneh-
frage weitere 43 Prozent hinzukommen. Der men WT | Wearable Technologies seit 2006
Duden definiert Wearable als ein „in die Klei- die Branche berät und international regelmä-
dung integriertes oder (unmittelbar) am ßig Konferenzen zum Thema Wearables ver-
Körper getragenes Computersystem, das auf anstaltet. „Die Ärzte werden schon in den
den Nutzer oder dessen Umwelt bezogene nächsten Jahren massiv mit dem Thema intel-
Daten registriert und verarbeitet“. Noch steht ligente Pflaster in Berührung kommen“, ist er
die Überwachung der körperlichen Aktivitä- überzeugt. Intelligente Pflaster sind Sensoren,
ten im Vordergrund. Aber 44 Prozent der die auf oder unter der Haut angebracht werden
Befragten nutzen Wearables auch, um medi- und entweder „auf Knopfdruck“ oder fortlau-
zinische Daten wie Hauttemperatur, Blut- fend Messungen vornehmen. Ihre Messwerte
druck oder Blutzucker zu messen. Ärzte kön- übertragen sie per Funk mittels Bluetooth
nen sich also darauf einstellen, dass Patien- oder NFC (Near Field Communication) an ein
MEDIZINISCHE WEARABLES
Selbst misst der Patient
Medizinische Wea- ten in nächster Zeit verstärkt eigene Mess- Smartphone, das die Daten bis zum nächsten
rables sind auf dem werte mit in die Praxis bringen oder dorthin Arztbesuch sammelt oder in einer Cloud spei-
Vormarsch. Was übertragen möchten. chert. Intelligente Pflaster eignen sich sowohl
können die cleveren Woher stammen diese Messdaten? David für die Prävention als auch zur Rehabilitation.
Messgeräte heute Saxner vom US-Beratungsunternehmen Long- Zu ihrem Einsatzgebiet zählen auch die Volks-
schon, was bringt fellow Associates hat sich die Mühe gemacht, krankheiten mit Ausnahme von Krebs.
alle auf der Internetseite ClinicalTrials.gov
Das zurzeit bekannteste intelligente „Pflas-
die Zukunft? Erfah- aufgeführten klinischen Studien in den USA ter“ – der Sensor FreeStyle Libre vom Pharma-
ren Sie, wie Patien- über medizinische Wearables zusammenzu- konzern Abbott – erleichtert das Leben von
ten und Ärzte von tragen. Die Daten umfassen sowohl bereits Diabetikern. Anstatt sich mehrmals am Tag in
der Selbstvermes- von der FDA (Food and Drug Administration) den Finger zu stechen, um den Blutzuckerspie-
sung profitieren. als Medizinprodukt zugelassene Wearables gel zu kontrollieren, bringen die Nutzer den
als auch solche, die sich noch in der Entwick- Sensor am Oberarm an. Die Messung erfolgt
lung befinden. Ergebnis: Die meisten Wea- invasiv, aber unblutig. Der Patient drückt den
rables werden für Anwendungen auf der Brust Sensor unter die Haut. Seine Messwerte über-
(23 Prozent) entwickelt, gefolgt vom Handge- trägt das FreeStyle Libre per NFC entweder
lenk (18 Prozent) und dem Kopf (15 Prozent). an ein mobiles Gerät des Herstellers oder an
Seltener (4 Prozent) sind Wearables für Augen, eine Smartphone-App. Es kann beim Duschen
Rücken, Magen, Beine, Hände und Ohren und oder in der Badewanne getragen und muss
noch seltener für die Füße (2 Prozent). alle 14 Tage gewechselt werden. Obwohl es
Diese Häufigkeiten hängen im Wesentli- erst seit zwei Jahren auf dem Markt ist, wird
chen mit der Art der verwendeten Wearables es Abbott zufolge bereits von 1,5 Millionen
zusammen: Rund 28 Prozent entfallen auf Diabetikern weltweit verwendet.
intelligente Pflaster, 16 Prozent auf Smart- Auch das Diabetespflaster von Roche ar-
watches, 13 Prozent auf Gurte, jeweils 9 Pro- beitet minimalinvasiv. Der Patient bekommt
zent auf Textilien und Headsets und 4 Prozent den eigentlichen Sensor am Oberarm unter die
auf Handschuhe. Der Rest verteilt sich auf Haut geschoben. Das intelligente Pflaster
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