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Kompakt
INTERVIEW „JEDE WORTMELDUNG ZÄHLT GLEICH VIEL!“
Auf dem Twitter-Kanal „Twankenhaus“ diskutieren Vertreter der unterschiedlichsten Gesundheitsberufe über aktuelle
Themen rund um ihre Arbeit. Was läuft falsch, was muss sich ändern? Dr. Katharina Thiede erläutert die Hintergründe.
Î ÎWozu braucht es das Twankenhaus? Î ÎUnd wie erstellen Sie Ihre DR. KATHARINA THIEDE
Weil wir generell mehr über das Gesundheitswesen sprechen müssen. Jeder Positionspapiere? arbeitet als Fachärztin für Allgemein- Abb.: Dr. Katharina Thiede
von uns, ob Arzt, Pflegender, Therapeut oder Patient, ist von Gesundheit be- Wir hatten bislang vier Themenwochen. Die medizin in einer Praxis in Berlin.
troffen – jeden Tag. Trotzdem ist der politische Diskurs darüber sehr rar. Es gibt erste befasste sich beispielsweise mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
zwar viele Diskussionen, zum Beispiel in den Ärzteverbänden, aber diese wer- Aus der Debatte auf Twitter haben wir ein Positionspapier erstellt. Es enthält
den intern geführt und gelangen kaum in den gesellschaftlichen Diskurs. Diese Qualitätsempfehlungen , „Basic Standards“, die in jedem Fall umgesetzt wer-
politischen Strukturen passen nicht zur Bedeutung, die Gesundheit für alle Bür- den müssen. Außerdem zeigen wir Qualitätsentwicklungsmöglichkeiten auf,
ger hat. Wir müssen eine andere Gewichtung hinbekommen, damit sich einer- die für ambitionierte oder engagierte Arbeitgeber eine Perspektive wären,
seits die Patienten gut versorgt fühlen und andererseits die an der Therapie um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Das Positionspapier
Beteiligten dies alles leisten können. Darüber müssen wir mehr sprechen, haben wir in einem kleinen Team erstellt, das die Themenwoche geplant und
sonst funktioniert es irgendwann nicht mehr. begleitet hat. Wir haben dazu die Tweets umformuliert, thematisch sortiert,
gewichtet, verlängert und verständlicher gemacht. Dann haben wir das Ganze
Î ÎWas unterscheidet „Twankenhaus“ von einem Berufsverband? in eine einheitliche Sprache gebracht und auf einer Plattform besprochen und
Ein Berufsverband vertritt in erster Linie die Interessen seiner Mitglieder. Im kommentiert. Das Positionspapier haben wir wieder auf Twitter zurückge-
Twankenhaus denken die unterschiedlichsten Gesundheitsberufe aus den ver- spielt mit der Bitte um Feedback. Es kamen ein paar gute Anregungen, die wir
schiedensten Versorgungssektoren gemeinsam darüber nach, wie sie zu einer für die finale Fassung aufgegriffen haben. Beispielsweise lag der Fokus in der
guten Lösung für das gesamte Versorgungsteam kommen. Dieser ganzheitli- ersten Version zu sehr auf der Kinderbetreuung und weniger auf der Pflege
che Ansatz ist unser Alleinstellungsmerkmal. Es gibt aber noch weitere Unter- von Angehörigen. Das haben wir korrigiert.
schiede. Wir führen zum Beispiel unsere Debatten öffentlich auf Twitter.
Î ÎDas hört sich sehr basisdemokratisch an. Wird sich das ändern,
Î ÎWie gehen Sie vor? wenn das Twankenhaus ein Verein wird?
Wir diskutieren zunächst intern über Themen, die uns am Herzen liegen. Wir Wir werden einen Vereinsvorstand haben, weil dies so vorgeschrieben ist. Und
versuchen, diese Themen so einzugrenzen und aufzuarbeiten, dass sie eine selbstverständlich wird es auch Entscheidungen geben, die Teams kurzfristig
Debatte auf Twitter ermöglichen. Bei dieser Debatte kann jeder, auch ein treffen müssen. Das ändert aber nichts daran, dass die Debatten absolut basis-
Patient oder Vertreter einer anderen Organisation, zuhören und auch mitdis- demokratisch geführt werden. Es gibt keine Hierarchien, jede Wortmeldung
kutieren. zählt gleich viel, unabhängig davon, aus welcher Berufsgruppe sie kommt.<
STURZPRÄVENTION
Spielerisch das Gleichgewicht halten
Abb.: THB/Parsch Medizininformatiker der Technischen Hoch- scher entwickelt haben, war eine Art Memory,
schule Brandenburg entwickeln Spiele, mit das sie an Menschen mit beginnender Demenz
denen Senioren ihr Sturzrisiko verringern und getestet haben. Durch die Verlagerung ihres
auch ihre Gedächtnisleistung erhalten sollen. Körperschwerpunkts konnten die Patienten
Das Ziel ist es, dass die älteren Menschen länger Karten umdrehen. Mit jedem hinzukommenden
selbstständig bleiben. Bei den Spielen kombi- Bild entstand ein Motiv, das die Senioren im
nieren die Wissenschaftler ein Gleichgewichts- Laufe des Spiels erkannten. Die regelmäßige
mit einem Gedächtnistraining. Erste Tests Gewichtsverlagerung soll unter anderem dazu
fanden mit den Bewohnern einer Seniorenein- führen, dass die Senioren sich sicherer bewe-
richtung in Brandenburg statt. Die älteren gen und im Falle eines Sturzes besser abfangen
Menschen mussten sich dazu auf eine Kraft- können. Im zweiten Spiel („Waldspaziergang“)
messplatte stellen, die eine Verlagerung des bewegen die Senioren einen Avatar durch einen
Körperschwerpunkts misst. Auf der Platte virtuellen Wald, um Gegenstände oder Perso-
waren die Umrisse von Füßen aufgeklebt. Die nen zu finden. Bei „BalanceBall“ müssen sie
Senioren konnten durch eine Gewichtsverla- durch Verlagerung des Körperschwerpunkts
gerung die Anzeige auf einem Bildschirm be- eine Kugel auf einem Spielfeld bewegen, um
MEMORY: Gedächtnis trainieren, Sturzrisiko minimieren einflussen. Eines von drei Spielen, die die For- Objekte wegzustoßen.< C TH-BRANDENBURG.DE
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