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Kompakt



        INTERVIEW         ARZTBRIEFE SOLLEN VERSTÄNDLICHER WERDEN

          Fehlende Standards bei der Verfassung von Arztbriefen können zu Missverständnissen, beispielsweise zwischen
          Facharzt und Hausarzt, führen. Düsseldorfer Linguisten suchen nach einheitlichen Sprachregelungen und Begriffen.



          Î ÎWie kamen Sie auf die Idee, nach einheitlichen Sprachregelungen und   Î ÎWie gehen Sie bei Ihrer Untersuchung vor?
          Begriffen für Arztbriefe zu suchen?                Meine Studie basiert auf zwei Säulen. Zum einen   DR. SASCHA BECHMANN  Abb.: Dr. Sascha Bechmann
                                                                                                Heinrich­Heine­Universität
          Nun, die Idee ist gar nicht so neu. Seit Jahrzehnten klagen Ärzte über Proble­  läuft gerade eine Umfrage zur Verständlichkeit von   Düsseldorf, Lehrstuhl für
          me bei klinischen Entlassungsbriefen. Aber noch immer fehlen Standards für   Arztbriefen, in der wir bundesweit Hausärzte nach   Germanistische Sprachwis­
                                                                                                senschaft
          das Verfassen von Arztbriefen, auch im Studium lernt man dazu nichts. Bis   den Schwierigkeiten befragen (www.soscisurvey.de/
          heute entwickeln Ärzte das Schreiben intuitiv, nebenbei und ohne ausdrück­  arztbriefe). Darauf aufbauend werden wir 200 Arztbriefe genauer untersu­
          liche Instruktionen. Häufig erweist sich dieses scheinbar selbstverständliche   chen und vor allem sprachliche Besonderheiten anschauen. Es geht dabei
          Fundament als nicht ausreichend tragfähig. Noch fehlen qualitative Untersu­  aber nicht so sehr um korrekte Grammatik oder Rechtschreibung, sondern
          chungen zu Arztbriefen, aus denen sich Standards ableiten ließen. Hier setzt   um problematische Formulierungen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage,
          meine Studie an: Unser Ziel ist es, systematische Probleme zu identifizieren   wie das Verständnis beim Leser hergestellt wird, beziehungsweise wodurch
          und letztlich Leitlinien für das Schreiben zu entwickeln.  es häufig erschwert ist. Auch wollen wir wissen, wie man Arztbriefe struktu­
                                                             rieren muss, damit sie alle nötigen Informationen bereithalten.
          Î ÎWäre es nicht die Aufgabe der medizinischen Fachgesellschaften,
          einheitliche Abkürzungen und Spezialbegriffe festzulegen? Arbeiten Sie   Î ÎWerden die Ergebnise Ihrer Arbeit in einem Onlinelexikon für
          mit den Fachgesellschaften zusammen?               Haus ärzte oder Textbausteine für Fachärzte münden?
          Ich weiß nicht, ob das direkt eine Aufgabe der Fachgesellschaften ist, aber   Die Ergebnisse werden wir zunächst in medizinischen Fachzeitschriften publi­
          zumindest erkennen viele Verbände die Notwendigkeit und unterstützen   zieren und dazu eine Art Leitfaden oder Checkliste entwerfen. Aus unseren
          mich bei meiner Forschung. Einige Hausärzteverbände beispielsweise arbei­  Ergebnissen hoffen wir abzuleiten, wie der ideale Arztbrief aussehen sollte.
          ten mit uns zusammen. Ob es reicht, am Ende nur Abkürzungen zu verein­  Gerade aus den Befragungen der Hausärzte kommt da eine Menge Input. In­
          heitlichen, wird sich zeigen. Zunächst geht es darum, die Stolperfallen über­  wieweit sich daraus weitere Arbeitshilfen wie etwa Textbausteine ergeben
          haupt einmal systematisch zu erkennen. Dass gerade Abkürzungen ein häufi­  können, steht noch in den Sternen. Im Anschluss an das derzeitige Projekt ist
          ges Problem sind, zeigt sich bereits deutlich. Ich gehe aber davon aus, dass es  eine größere, interdisziplinäre Untersuchung mit Medizinern geplant. Das
          mit einer Art Glossar allein nicht getan ist. Auch viele selbstverständliche   wird aber frühestens 2020 beginnen können, dann in einem größeren Team
          Formulierungen können missverständlich sein. Hier ist eine umfassende Be­  und über mehrere Jahre. Der dafür erforderliche hohe technische und admi­
          trachtung nötig, daran arbeiten wir gerade.        nistrative Aufwand muss finanziell noch geklärt werden.<






        KARDIOLOGIE
        Entscheidungshilfe per App


        Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie                              und veröffentlichten Regeln und berücksich-
        (DGK) hat ihre Leitlinien-Apps um ein Tool                             tigt den individuellen Patienten. Anhand von
        zur Klinischen Entscheidungsun-                                         Checklisten soll der Arzt mit wenigen Abfra-
        terstützung ergänzt. Dieses Tool                                            gen klären können, welche Patienten
        bietet leitlinienbasierte digitale                                              akut besonders gefährdet sind
        Behandlungspfade für die sechs                                                      und welche therapeutischen
        wichtigsten kardiologischen Not-                                                        Maßnahmen wann ein-
        fälle: akuter Brustschmerz, ST-He-                                                          geleitet werden
        bungsinfarkt, akutes Koronarsyndrom,                                                          müssen. Die
        infarktbedingter kardiogener Schock,                                                          Software soll
        akutes Aortensyndrom und Lungenembolie.                                                       sicherstellen,
        Die elektronische Entscheidungshilfe soll den                                               dass bei akutem
        Arzt Schritt für Schritt durch die sensible Pha-                                        Thoraxschmerz inner-
        se der Akutbehandlung führen. Die DGK-Task-                                        halb von zehn Minuten ein
        force „Medical Apps in der Kardiologie“ hat bei                                EKG abgeleitet wird oder ein In-
        der Entwicklung der digitalen Orientierungs-                              farktpatient im Krankenhaus innerhalb
        hilfe Wert auf eine intuitive Bedienung gelegt.   Abb.: DGK            von 60 Minuten eine Katheteruntersuchung
        Das Tool basiert auf allgemein anerkannten                             und -behandlung erhält.<    C DGK.ORG

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