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Porträt
nen sie nicht helfen, aber sie leben ihnen vor,
hart zu arbeiten.
Vater unterstützt Studium
„In der Schulzeit kam uns gar nicht in den Sinn,
zu studieren. Wir hatten keine Vorbilder“, er-
innert sich Cakmak-Wolgast. Die Zwillinge
gehen gerne in die Schule, zeigen gute Leistun-
gen und machen 1997 sogar Abitur. Doch
selbst nach diesem Erfolg trauen sie sich nicht
zu, ihrem Traum, Medizin zu studieren, zu fol-
gen. Es ist schließlich ein Freund ihres älteren
Bruders, der sie bestärkt und ihnen auch
gleich die U� bungsunterlagen zum damals noch
notwendigen Medizinertest mitbringt. „Ich
weiß noch, wie wir jeden Tag gemeinsam am
Wohnzimmertisch geübt haben“, sagt Cak-
mak-Sarikaya. Ihr Fleiß lohnt sich: Im Jahr
Abb.: Gürkan Akyazi an der Universität Düsseldorf, ihre Schwester
1999 beginnt sie ihr Humanmedizinstudium
startet ein Jahr später.
BIRGÜL CAKMAK-SARIKAYA & SONGÜL CAKMAK-WOLGAST Für die Studentinnen ist das Studium eine
größere Herausforderung als für viele ihrer
Kommilitonen, die aus Akademikerfamilien
stammen. „Unser Vater war eher dafür, dass
wir eine Ausbildung machen, aber als wir stu-
dieren wollten, stand er hinter uns“, so
Cakmak-Wolgast. Allerdings ist die akademi-
sche Welt den Eltern fremd. „Wir hatten auch
viel weniger Allgemeinbildung als unsere Mit-
studierenden“, erinnert sich ihre Schwester.
Die
senshunger. Bis heute sind sie leidenschaftliche
ongül Cakmak-Wolgast und Birgül Cak- Die Zwillinge entwickeln einen großen Wis-
mak-Sarikaya sind Allgemeinmedizine- Leserinnen. Belletristik hat es ihnen jedoch
Srinnen und leiten gemeinsam eine haus- wenig angetan, es sind Sachbücher über Psy-
ärztliche Praxis im Herzen von Düsseldorf.
Ihren Erfolg haben sich die Zwillinge hart er- Aufsteigerinnen
arbeitet, denn sie stammen aus einer Arbei-
terfamilie, in der Studieren eigentlich kein
Thema war.
Wenn die Geschwister von ihrer Kindheit
Songül Cakmak-Wolgast und
erzählen, fallen sie sich manchmal ins Wort chologie, Physik, Naturphilosophie und andere
Birgül Cakmak-Sarikaya hatten
und wechseln ins Türkische. Ihre Mutterspra- wissenschaftliche Felder, die sie verschlingen.
che verbindet sie mit ihrer Herkunft, der Fa- es als Kinder von Gastarbei- Ihre Interessen sind breit gefächert und immer
tern nicht leicht, Medizin zu
milie und ihrer emotionalen Seite. Die Eltern nutzen sie ihr erworbenes Wissen, um sich und
studieren. Heute betreiben
der zwei Frauen kamen als Gastarbeiter aus ihren Beruf weiterzuentwickeln.
die Zwillinge im Zentrum von
einem abgelegenen Dorf in der Türkei nach
Düsseldorf eine hausärztliche
Deutschland. Der Vater hat die Grundschule Von der Klinik in die Praxis
absolviert, die Mutter ist Analphabetin. Das Damit sie sich nicht auf ein enges medizini-
Praxis mit den Schwerpunkten
Paar siedelt sich in Düsseldorf an und bekommt sches Gebiet festlegen müssen, wählen die
Ästhetische und Kosmetische
fünf Kinder; Songül und Birgül sind die mitt- Medizinerinnen nach ihren Studienabschlüs-
Medizin.
leren. Ihre Eltern haben wenig Zeit. Der Vater sen in den Jahren 2006 und 2007 die Innere
arbeitet in einer Fabrik am Fließband, die Mut- Medizin als Arbeitsfeld und lassen sich später
ter ist ebenfalls vollzeitbeschäftigt und küm- zu Fachärztinnen der Allgemeinmedizin aus-
mert sich zusätzlich um die Kinder und den bilden. Im Zuge dessen arbeiten die Geschwis-
Haushalt. In schulischen Angelegenheiten kön- ter mehrere Jahre in Krankenhäusern in Mön-
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