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Thema
MEDIZINISCHE INFORMATIONSOBJEKTE
Der Big Bang bleibt aus
Die ersten Medizinischen Informationsobjekte (MIO) für die elektronische Patientenakte (ePA) sind startklar.
In der Praxis angekommen sind diese Bausteine aber noch nicht. Für die Nutzung fehlen noch vielfach die
Voraussetzungen bei Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten.
igentlich ist es ganz einfach: Alle gesetzlich bänden und -organisationen zusammen. Zurzeit phones der Versicherten angekommen. „Wir
Versicherten finden im App Store die elek- sind die Patientenkurzakte, der Pflegeüberlei- haben sehr pünktlich Spezifikationen geliefert:
Etronische Patientenakte (ePA) der Kran- tungsbogen, der Krankenhausentlassbrief, der Die MIOs zum Impfpass, Mutterpass, Kinder-
kenkasse. Nach wenigen Klicks und einem Laborbericht und das telemedizinische Moni- untersuchungsheft und Zahnbonusheft sind
Authentifizierungsverfahren kann die persön- toring von Herzinsuffizienzpatienten in Arbeit. längst fertig und einsatzbereit“, heißt es seitens
liche ePA auf dem Smartphone oder Tablet ge- Hinzu kommt ein DiGA-Toolkit, mit dem Daten der KBV. Der verschleppte Start liege zum einen
nutzt werden. Dort gibt es die Möglichkeit, aus digitalen Gesundheitsanwendungen struk- daran, dass die notwendigen Komponenten für
Befunde, Diagnosen, Ergebnisse aus Vorsor- turiert gespeichert werden können. „Außerdem die ePA 2.0 noch nicht zur Verfügung stehen.
geuntersuchungen, bisherige Therapiemaß- unterstützen wir verschiedene Partner, unter Die A� rztinnen und A� rzte benötigen zunächst
nahmen, Behandlungsberichte und Gesund- anderem den Berufsverband Deutscher Radio- ein Update ihrer Konnektoren, weil deren Zer-
heitsdaten einzusehen und zu verwalten – in logen, der gerade einen elektronischen Bildbe- tifikate gerade ausgelaufen sind. Zwei von drei
Form von PDF- oder Bilddateien. Auch struk- fund entwickelt“, führt Greve aus. Konnektor-Herstellern haben Updates bereit-
turierte Daten können eingestellt werden: der gestellt, der dritte hat dies angekündigt. Auch
Notfalldatensatz, elektronische Medikations- die Praxissoftware ist oft noch nicht auf dem
MIOs sind interoperabel
pläne und der elektronische Arztbrief (siehe Stand, dass die A� rzte darüber MIOs befüllen
dazu Seite 10). und von jedem System könnten. In der Corona-Pandemie hatte das
Über diese Grundfunktionen der ePA öffnet digitale Covid-Impfzertifikat Vorrang. Dies war
les- und bearbeitbar.
sich seit 2022 eine große Welt der Medizini- so vom Gesetzgeber gewünscht und wurde
schen Informationsobjekte, kurz MIOs. auch bezahlt. Die Rollouts des elektronischen
Anfang dieses Jahres zündete die zweite Rezepts und der elektronischen Arbeitsunfä-
Ausbaustufe der ePA. Damit sollen auch die Da die MIOs nur zusammen mit der ePA funk- higkeitsbescheinigung (eAU) wurden nicht
ersten MIOs – Impfpass, Zahnbonusheft, Mut- tionieren, mussten die Krankenkassen zum mehr vorangetrieben. Dabei müssten die A� rzte
terpass und Kinderuntersuchungsheft – in der Jahresbeginn ihre ePA-Anwendungen auf die diese nach der ursprünglichen Planung längst
Akte liegen können. MIOs sind interoperabel Version 2.0 updaten. Nach Angaben des Spit- verschicken können. Nun hat der Gesetzgeber
von jedem System im Gesundheitswesen les- zenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen die verpflichtende Einführung von eRezept ge-
und bearbeitbar. So sollen sie den Datenfluss (GKV) ist das auch geschehen. Neben den MIOs stoppt und der eAU vorerst verschoben, um, wie
im Gesundheitswesen beschleunigen. „Dafür sind dabei noch weitere Funktionen hinzuge- es heißt, noch weitere Erfahrungen damit sam-
werden die Daten in einem festgelegten Format kommen: Patientinnen und Patienten können meln zu können. Dennoch ist die Situation alles
auf Basis internationaler Standards, etwa HL7 nun gezielt Zugriffsrechte für einzelne Doku- andere als entspannt. „Die Hersteller stehen
FHIR und SNOMED CT, dokumentiert“, erklärt mente erteilen und Krankenkassen können auf unter großem Druck“, bestätigt Susanne Koch,
Bernd Greve, Geschäftsführer der mio42, einer Wunsch Abrechnungsdaten einstellen. Zudem Referentin eHealth und Verbandsstrategie
Tochter der Kassenärztlichen Bundesvereini- können die Versicherten ihre ePA-Daten bei beim Bundesverband Gesundheits-IT ( bvitg).
gung (KBV), die für die Entwicklung der MIOs einem Krankenkassenwechsel mitnehmen. Die zeitliche Verzögerung bei den MIOs wird
zuständig ist. „So können die einzelnen Akteu- der Industrie angelastet. „Deren Implementie- Abb.: Adobestockphoto.com © agenturfotografin
Startprobleme in den Praxen
re im Gesundheitssystem Daten austauschen rung ist für jede einzeln betrachtet sehr kom-
und verarbeiten, egal ob sie in einer Arztpraxis, Allerdings sind die MIOs noch nicht überall in plex“, sagt Koch, „Fortschritte werden deshalb
einem Krankenhaus oder einer Apotheke tätig den Praxissystemen, den Krankenhausinfor- langsamer gemacht als erhofft.“ Laut TI-Score
sind.“ Die mio42 arbeitet dabei mit Fachver- mationssystemen und den Apps auf den Smart- ePA der gematik geben erst fünf Hersteller
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