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Titelgeschichte




        INTERVIEW         „ANDERE EU-STAATEN ZEIGEN, WAS MÖGLICH IST“

          Das Unternehmen Honic arbeitet zusammen mit weiteren Partnern aus der Industrie daran, eine private Infrastruktur für die
          Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken aufzubauen. Honic-Gründer und -Geschäftsführer Dr. Henrik Matthies erläutert
          das Vorhaben und die Hintergründe.
                                                                                                                  Abb.: Honic
          Î 	Mit dem GDNG soll die Forschung mit Gesundheitsdaten erleichtert   zite Einwilligung einzuholen. Wenn dem Daten-  DR. HENRIK MATTHIES
          werden – auch als Lektion aus der Pandemie. Warum brauchen wir zusätz-  schutz mit aufwendigen Strategien zur Deperso-  Gründer und Geschäfts-
          lich privatwirtschaftliche Gesundheitsdatenforschung?  nalisierung Genüge getan wird, dann ist das   führer des Unterneh-
                                                                                                 mens Honic, das an einer
          Mit den Änderungen im GDNG werden nur Abrechnungs- und Registerdaten     DSGVO-konform. In Deutschland redet nur nie-  privaten Infrastruktur für
          besser für Forschung verfügbar gemacht, eines fernen Tages auch vereinzelte  mand darüber, und es gibt auf nationaler oder auf   die Gesundheitsdaten-
          ePA-Daten. Moderne medizinische Forschung benötigt aber statt Abrech-  föderaler Ebene Regulatorien, die solchen Platt-  forschung arbeitet.
          nungs- vor allem die realen Versorgungsdaten möglichst siloübergreifend   formen das Leben schwer machen.
          und großvolumig – also Daten sowohl vom Hausarzt, dem Labor, der Apothe-
          ke als auch dem Krankenhaus. Ähnliches gilt für die KI-Forschung. Das adres-  Î 	Wie könnte man hier weiterkommen?
          siert das GDNG kurzfristig gar nicht.              Das GDNG ist ein erster Schritt, aber es darf nicht der letzte sein. For-
                                                             schungsplattformen, die die staatliche Gesundheitsdatenforschung ergän-
          Î 	Was wären die Konsequenzen, wenn es nur den GDNG-Weg gäbe?  zen, sollten regulatorisch mitgedacht werden. Wir haben zusammen mit ei-
          Forschung wandert noch massiver ab. Der Corona-Impfstoff wurde in   nigen anderen Unternehmen einen Vorschlag für ein Gesundheitsdaten-
          Deutschland entwickelt, aber in Israel erstmalig ausgerollt – weil dort Versor-  ökosystem gemacht, das das leistet. Das kann eine Diskussionsgrundlage
          gungsdaten umfangreich und direkt für Forschung zur Verfügung stehen.   sein.
          BioNTech ist mit seiner gesamten Forschung mittlerweile von Deutschland
          nach Großbritannien gegangen, weil sie in Deutschland keine Hoffnung auf   Î 	Warum sollten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ihre Patientenda-
          Besserung hatten. Während der Pandemie wurde mit gigantischem Aufwand,  ten mit einer Plattform wie Ihrer teilen?
          vielen Faxgeräten und händischen Excel-Tabellen ein lückenhaftes  Corona-   Ein Beispiel: Bisher bedeutete die Teilnahme an Studien für Niedergelassene
          Dashboard entwickelt. Solche Dashboards benötigen wir eigentlich für alle   häufig, dass neben der Dokumentation in der Praxissoftware weitere Daten
          chronischen Krankheiten, wenn wir die Versorgung ordentlich steuern wollen.  in separaten Systemen erhoben werden mussten. Also Mehrarbeit. Die neu-
          Aus der Not heraus gibt es Akteure, die versuchen, nichtstaatliche Gesund-  en technischen Möglichkeiten ermöglichen es nun, Plattformen wie unsere
          heitsdatenplattformen auch in Deutschland zu etablieren. Wir sind einer da-  einmalig anzubinden. Ab dann können die Daten der Praxis für medizinische
          von, nicht der einzige. Das ist sehr mühsam, es müsste nicht so sein.  Forschungsprojekte genutzt werden. Natürlich entscheidet die Praxis für je-
                                                             des Forschungsprojekt einzeln, ob die Daten verwendet werden dürfen. Die-
          Î 	Maßgeblich für den Umgang mit (unter anderem) Gesundheitsdaten ist   se individuelle Prüfung wird von uns vergütet. Neben Praxisdaten haben wir
          in Europa die DSGVO, die Datenschutz-Grundverordnung. Steht die solchen   schon umfangreiche Medikations- und Labordaten auf der Plattform. So kön-
          nichtstaatlichen Plattformen nicht im Weg?         nen wir ein realistisches Bild der medizinischen Versorgung in Deutschland
          Eben nicht. Der Blick in andere EU-Staaten zeigt, was auf dem Boden der   als großvolumige Datenbasis anbieten – und damit Forschung ermöglichen,
            DSGVO möglich ist – übrigens auch ohne jedes Mal von Neuem eine expli-  die schnell ist und im besten Fall die Versorgung verbessert.<



        dass die Gesundheitsdatenforschung nicht beim  Sicht der A� rzteverbände und einiger Patienten-  terium erfüllt damit eine langjährige Forde-
        GDNG stehen bleibt. Sie plädieren für eine Wei-  vertreter. Die Rede ist vom neuen § 25b SGB V.  rung der Krankenkassen. Kassenärztliche
        terentwicklung der regulatorischen Strukturen  Dieser räumt Kranken- und Pflegekassen deut-  Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärzte-
        dahingehend, dass ein echtes „Ökosystem“ für  lich umfangreichere Rechte in Bezug auf die  kammer lehnen das kategorisch ab. Auch von
        die Forschung und Entwicklung möglich wird  Nutzung der eigenen Versichertendaten ein.  Patientenseite kommt Widerstand. Mitarbei-
        – mit zentralen, DSGVO-konformen und damit  Bisher gibt es nur sehr wenige, jeweils gesetz-  terinnen und Mitarbeiter der Unabhängigen
        den Datenschutz gewährleistenden Instanzen  lich  explizit  geregelte  Szenarien,  in  denen  Patientenberatung wiesen darauf hin, dass
        wie einer Vertrauensstelle für die Pseudony-  Krankenkassen in die Abrechnungsdaten „hi-  Blockaden durch Krankenkassen ein Haupt-
        misierung und einer Widerspruchsstelle, bei  neinschauen“ und Versicherte dann eigenini-  grund für die Kontaktaufnahme zur Beratung
        der Bürgerinnen und Bürger gegen die Nutzung  tiativ kontaktieren dürfen.  seien. Die Befürchtung: Krankenkassen könn-
        ihrer persönlichen Daten, egal in welchem Kon-  Dieses Recht soll jetzt stark ausgebaut wer-  ten die neuen gesetzlichen Möglichkeiten pri-
        text, widersprechen können.        den; unter anderem soll den Krankenkassen  mär zur Patientensteuerung in Richtung von
                                           erlaubt werden, nach Hinweisen auf Krebser-  möglichst kostengünstigen Versorgungswe-
        Flaschenpost von den Krankenkassen  krankungen, seltene Erkrankungen und Arz-  gen nutzen. Ob der umstrittene § 25b SGB V
        Jenseits aller Diskussionen um digitale For-  neimittelfolgen zu suchen. Das stark durch  im Deutschen Bundestag noch mal substanzi-
        schungsinfrastrukturen  enthält  das  GDNG  ehemalige Krankenkassenmitarbeiterinnen  ell verändert wird, war bis Redaktionsschluss
        auch noch einen echten Aufreger, jedenfalls aus  und -mitarbeiter geprägte Lauterbach-Minis-  offen.<     $ PHILIPP GRÄTZEL

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