Page 13 - xpress_Ausgabe 24.1
P. 13

Titelgeschichte




        Was sind die Kritikpunkte?          heitsdaten aufgebaut, die Versorgungsdaten in   Für ein KI-Training wäre schon der Umfang
        Die meisten, die sich mit Digitalisierung im  großem Umfang verfügbar machen kann. Dies  der Daten, die über das BfArM zugänglich ge-
        deutschen Gesundheitswesen beschäftigen,  geschieht im Einklang mit der Europäischen  macht werden sollen, viel zu klein. Auch der
        halten das GDNG für einen Fortschritt. Zum  Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ohne  Fokus auf Forschung ist ein Problem, denn
        ersten Mal überhaupt gehe es in einem Gesetz  dass die medizinischen Einrichtungen, die die  besonders bei der KI geht es nicht zuletzt um
        nicht darum, den Zugang zu Gesundheitsdaten  Daten zur Verfügung stellen, explizit eine Ein-  Produktentwicklung. Dafür werden in großem
        zu erschweren. Stattdessen soll das GDNG die-  willigung der Patientinnen und Patienten ein-  Umfang Datensätze aus dem Ausland einge-
        sen Zugang verbessern und die Daten für eine                           kauft. Wer das nicht will oder kann, der „tarnt“
        bessere  Gesundheitsversorgung  intensiver                             ein KI-Entwicklungsprojekt als Forschungs-
        nutzbar machen – das hört man so oder ähnlich   Kritik an zu viel und zu    projekt. Aber das stößt irgendwann an Gren-
                                                staatsnaher Bürokratie
        immer wieder von der Politik, von Patienten-                           zen. Etwas forschungsfernere Themen wie
                                  �
        seite und auch aus den Reihen der Arzteschaft                          Qualitätssicherung und Patientensteuerung   Abb.: Lxxxdo AI
        und ihrer Verbände. Die Angst vor einer Auf-                           kommen im GDNG-Entwurf ohnehin nicht vor.
        weichung des Datenschutzes steht nicht im  holen müssen. Eine solche Nutzung von Ge-  Karl  Lauterbach hat mit Blick auf das GDNG
        Vordergrund. Der Bundesbeauftragte für den  sundheitsdaten haben andere EU-Länder auf  immer wieder das Beispiel  BioNTech genannt,
        Datenschutz  und  die  Informationsfreiheit,  Basis der DSGVO längst ermöglicht. In Deutsch-  das in der Pandemie den Impfstoff in Israel
          Ulrich  Kelber, gilt nicht gerade als Freund der  land hat sich daran politisch noch keiner her-  ausgerollt hat, weil dort die Dateninfrastruk-
        Lauterbach’schen Pläne. Aber er hat signali-  angewagt.                turen ein effizientes Monitoring von Wirksam-
        siert, dass er sie für akzeptabel hält, sofern das   Eine ähnliche Plattform wie Honic baut das  keit und Verträglichkeit ermöglichten. Der
        Widerspruchsrecht und die Pseudonymisie-  Unternehmen Tiplu auf. Während Honic nicht   GDNG-Entwurf adressiert diese Art der Daten-
        rung gewährleistet sind.            zuletzt auf niedergelassene Ärztinnen und Ärz-  nutzung gar nicht, sofern man sich nicht der
           Kritik am GDNG entzündet sich weniger am  te abzielt, ist Tiplu im stationären Bereich un-  naiven Illusion hingibt, mit gespendeten Daten
        Thema Datenschutz als vielmehr daran, wie  terwegs. Die Themen sind ähnlich: Qualitätssi-  aus der ePA ließe sich ein Impfstoff-Rollout
        die Forschungsinfrastruktur konkret umge-  cherung, Training von KI-Algorithmen, Auf-  monitoren.
        setzt werden soll. Die Ansiedelung der DZKS  tragsforschung, Prozessautomatisierung. Das   Aus all diesen Gründen haben sich im Som-
        am BfArM führt beispielsweise bei manchen  GDNG helfe bei all diesen Dingen nicht wirklich  mer einige Unternehmen – darunter auch
        zu Kopfschütteln, etwa bei Sebastian Semler,  weiter, sagt Tiplu-Gründer Moritz Augustin.    medatixx – mit dem Ziel zusammengetan,
        Geschäftsführer der Technologie- und Metho-
        denplattform für die vernetzte medizinische
        Forschung (TMF). Semler ist bekannt dafür,    SO MACHT ES MEDATIXX
        sich etwas gewählter auszudrücken. Seine                                    Q

          Aussagen werden dadurch nicht weniger deut-
        lich: „Es gibt weder ordnungspolitisch eine   Gesundheitsdaten. In Arztpraxen fallen viele Daten an, die für die Versorgungsforschung genutzt

        Begründung, warum diese Aufgaben behörd-  werden können. Um diese Forschung zu unterstützen, gibt es seit 2022 das Add-on  x. panel für
        lich angesiedelt sein müssen, noch sind Behör-  Anwenderinnen und Anwender von Praxissoftwarelösungen des Unternehmens medatixx. Über
        den prädestiniert für die notwendige dynami-    x.panel werden Versorgungsdaten der Praxis anonymisiert für die Forschung aufbereitet. Die
        sche Serviceorientierung im wissenschaftli-    Anonymisierung geschieht noch innerhalb der Praxis mit Hilfe einer Anonymisierungslösung der
        chen Umfeld.“ Man muss dazu wissen, dass die   Bundesdruckerei, die sich streng an die Vorgaben der Europäischen Datenschutz-Grundverord-
        TMF im Rahmen der vom Bundesforschungs-  nung (DSGVO) und des deutschen Datenschutzrechts hält. Die anonymisierten Daten werden
        ministerium (BMBF) geförderten Medizin-   dann an ein Data Warehouse von medatixx übermittelt und stehen dort für die Forschung zur
        informatik-Initiative im Umfeld der Universi-  Verfügung.
        tätsmedizin viele jener Strukturen bereits   Forschen dürfen mit den Daten all jene, die ein legitimes Interesse an Versorgungsforschung ha-
        aufbaut, die jetzt auch das GDNG schaffen will.   ben. Ein aktive Freischaltung für den Datenzugriff auf das Data Warehouse durch  medatixx ist erfor-
        Böse Zungen sagen, dass BMBF und BMG ein-  derlich. Zu den Interessenten zählen klassische Versorgungsforschungsgruppen, Einrichtungen der
        mal mehr Doppelstrukturen schaffen und     öffentlichen Gesundheit, Universitäten, Unternehmen der Gesundheitswirtschaft und auch Start-
        letztlich allen Beteiligten Mehrarbeit machen.   ups, die zum Beispiel Algorithmen trainieren wollen. Ziel von x.panel ist es, einen möglichst reprä-
                                                 sentativen Querschnitt der Versorgung abzubilden. Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen kön-
        Weiterentwickeln tut not                 nen an x.panel teilnehmen. Rund 1 500 Praxen machen von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch
        Zu viel und zu staatsnahe Bürokratie – diese   und erhalten als Aufwandsentschädigung eine Reduktion der monatlichen Softwarepflegegebühr.
        Gefahr sehen auch viele Menschen, die sich im   Teilnehmende Praxen sind verpflichtet, in der Patienteninformation zur Datenverarbeitung, die per
        privatwirtschaftlichen Umfeld mit Gesund-  Aushang im Wartezimmer, Auslage am Empfang oder per Internetauftritt erfolgen kann, auf die
        heitsdaten und deren Analyse oder Nutzung   Datenübermittlung mit x.panel hinzuweisen. Denn es gibt ein individuelles Widerspruchsrecht, das
        beschäftigen. Einer von ihnen ist Dr. Henrik     medatixx sehr ernst nimmt: Daten werden erst übermittelt, wenn es nach der Erstinformation zu ei-
        Matthies von dem jungen Unternehmen Honic   nem erneuten Praxiskontakt kommt und bis dahin nicht widersprochen wurde. Die erforderlichen
        (siehe Interview Seite 14). Das Start-up hat eine   Textbausteine und Musterdokumente werden zur Verfügung gestellt.<
        eigene Plattform für die Nutzung von Gesund-

                                                                                                             x.press 24.1   13
   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18