Page 13 - xpress_Ausgabe 23.3
P. 13

Titelgeschichte




        Ärztinnen und Ärzte einigermaßen auf-  wie Dr. Max Tischler betont, niedergelassener  für sein Ministerium eine 51-Prozent-Mehrheit
        wandsarm funktioniert, wird der ePA das  Dermatologe in Dortmund und Medical  gegriffen. Jetzt wird die gematik eine 100-Pro-
          eRezept vorgeschaltet. Dieses soll – anders als   Director bei der mit dem Berufsverband der  zent-Tochter des BMG, also eine Behörde.
        teilweise berichtet – nicht „Teil“ der ePA wer-  Deutschen Dermatologen (BVDD) kooperieren-  Was genau diese Verstaatlichung heißt,
        den. Aber Daten, die in der Arztpraxis für das  den Telemedizinplattform OnlineDoctor: „Prin-  wird Stand April 2023 noch verhandelt. Aber
        eRezept erfasst werden, sollen nicht noch mal  zipiell eröffnet eine assistierte Telemedizin  das Ministerium macht deutlich, dass es um
        für die ePA-Medikation eingegeben werden  Zugangswege gerade auch für Menschen, die  mehr geht als Zahlenkosmetik: „Die gematik
        müssen. Das ist zumindest der Plan (siehe In-  sich das selbst nicht zutrauen. Wir haben in der  hat heute an vielen Stellen eine undankbare
        terview Seite 12).                  Schweiz so ein Modell: Apotheken sind Anlauf-  Position, weil sie für Dinge verantwortlich ge-
                                            stellen für Patientinnen und Patienten, und  macht wird, für die sie gar kein Mandat hat.
        Neues Leben für strukturschwache Regionen  dann gibt es in räumlicher Nähe Fachärztinnen  Das müssen wir auflösen. Wir werden sicher
        Die neue ePA ist der Hauptdarsteller des Digi-  und Fachärzte, die die jeweiligen Apotheken  nicht nur die Governance anfassen, sondern
        talgesetzes. Darin will die Ampelkoalition aber  telemedizinisch mitbetreuen. Ein Vorteil ist,  auch das Aufgabenspektrum.“ Software selbst
        noch mit ein paar weiteren Rollen glänzen. Für  dass die Fotos in solchen Szenarien vom Per-  entwickeln, betont Sebastian Zilch, soll eine
        viele überraschend kommt ein doch deutliches  sonal aufgenommen werden, was die Qualität  staatseigene gematik nicht. Das eine Mal, wo
        Bekenntnis zu mehr Telemedizin, das sich vor  verbessert. Auch anamnestische Informatio-  sie das getan hat, bei der E-Rezept-App, soll
        allem an zwei Vorhaben festmacht: Die 30-Pro-  nen können prägnanter sein.“  eine Ausnahme bleiben. Das werden nicht zu-
                                �
        zent-Klausel, die besagt, dass Arztinnen und                           letzt die Hersteller von IT-Lösungen für das
                                            Neues Leben für die gematik
        Arzte im Rahmen der GKV-Abrechnung nur                                 Gesundheitswesen gerne hören, die wiederholt
         �
        30 Prozent ihrer Leistungen telemedizinisch  Nicht sehr relevant für niedergelassene A� rz-  vor Marktverzerrung und einem Einstieg in am
        erbringen dürfen, will das BMG beerdigen.  tinnen und A� rzte, aber heiß diskutiert im ge-  Ende oft minderwertige „Staats-Software“ ge-
        Wird das dazu führen, dass auch in Deutsch-  sundheitspolitischen Berlin, war vor Veröf-  warnt haben (siehe Interview Seite 12).
        land beziehungsweise im GKV-Kontext bald  fentlichung von Digitalstrategie und ersten
                                                                               DiGA jetzt auch mit Ärztinnen und Ärzten?
        rein digitale Leistungserbringer entstehen?  Inhalten des Digitalgesetzes die Frage, was
        „Davon gehe ich aus“, so Ozegowski. „Wir den-  sich bei der Betreibergesellschaft der Telema-  Runter von den gesundheits- und industriepo-
        ken, dass es ein Berufsbild Telearzt/Teleärztin  tikinfrastruktur, der gematik, ändert. Das  litischen Höhen – und rein ins pralle Versor-
        gibt, dessen Aufgabenspektrum sich etwas                               gungsleben. Dort gibt es unter anderem die
                             �
                                        �
                                                                                            �
        unterscheidet von dem der Arztinnen und Arz-  Nun liegt auch offiziell   DiGA, die in der Ara Jens Spahn mit dem Digi-
        te in der Praxis, die gelegentlich auch teleme-                        tale-Versorgung-Gesetz (DVG) unter dem Stich-
                                               der Plan auf dem Tisch,
        dizinische Leistungen anbieten.“ Ziel sei es                           wort „App auf Rezept“ eingeführt wurden. Die
        aber definitiv nicht, dass es irgendwann nur                           DiGA haben in den letzten Jahren langsam, aber
        noch Telemedizin gibt: „Es wird auch weiterhin   die gematik komplett zu   kontinuierlich an Akzeptanz gewonnen. Beson-
                                                    verstaatlichen.
        eine flächendeckende Vor-Ort-Infrastruktur                             ders weit verbreitet sind sie jedoch noch nicht,
        benötigt, und deswegen werden wir die Auf-                             und vor allem sind es digitale Insellösungen,
        hebung der 30-Prozent-Regelung durch struk-                            keine in die Versorgungsprozesse (und die Pra-
        turelle Regelungen begleiten.“      Schlagwort dazu lautet E-Health-Governance.  xis-IT-Systeme) integrierten Anwendungen.
           Das zweite telemedizinische Vorhaben im  Letztlich geht es dabei um die Frage, wer in   Das soll sich ändern. Zum einen sollen die
        Digitalgesetz ist die Einführung der sogenann-  Sachen digitales Gesundheitswesen in  DiGA künftig mit den elektronischen Patien-
        ten assistierten Telemedizin. In insbesondere  Deutschland das Sagen hat. Dass die Ampelko-  tenakten kommunizieren können. Zum ande-
        hausärztlich unterversorgten Regionen sollen  alition das Thema adressieren würde, hatte sie  ren, und vielleicht wichtiger, sieht das Digital-
        in Apotheken oder an Gesundheitskiosken, von  schon mit der Ankündigung im Koalitionsver-  gesetz vor, dass als Teil einer DiGA künftig auch
        denen Karl Lauterbach langfristig tausend  trag anklingen lassen, wonach die gematik in  telemedizinische Leistungen angeboten wer-
        Stück deutschlandweit aufbauen will, teleme-  eine „Bundesagentur“ umgewandelt werde.  den können. Damit könnten die DiGA sich stär-
        dizinische Dienstleistungen in Anspruch ge-  Das ist jetzt insofern etwas konkreter, als  ker in Richtung digitale Versorgungsplattfor-
        nommen werden können. Die Idee dabei ist,  nun auch offiziell der Plan auf dem Tisch liegt,  men entwickeln.
        dass sich Gesundheitseinrichtungen finden, die  die gematik komplett zu verstaatlichen. Zur
                                                                               Daten nutzen, aber richtig
        das gemeinsam organisieren. So könnte sich  Erinnerung: Ursprünglich handelte es sich um
        eine Apotheke mit Fachärztinnen und Fachärz-  eine Gesellschaft der gemeinsamen Selbstver-  Neben dem Digitalgesetz bastelt die Berliner
        ten in der Region oder auch mit telemedizini-  waltung, in der Krankenkassen und PKV 50  Gesundheitspolitik derzeit an einem zweiten
        schen Dienstleistern zusammentun und bei-  Prozent der Anteile hatten und Kassenärztliche  Gesetz, das auf den Namen Gesundheitsdaten-
        spielsweise teledermatologische oder teleoph-  und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung,  nutzungsgesetz hört. Das „GDNG“ dreht sich
        thalmologische Konsultationen anbieten.   Bundesärztekammer und Bundeszahnärzte-  nicht in erster Linie um Versorgung, sondern
           Solche Modelle existieren in anderen Län-  kammer, Bundesapothekerkammer und Deut-  um Forschung. Aber da künftig – auch als Leh-
        dern bereits. Zilch weist auf die Walk-in Clinics  sche Krankenhausgesellschaft sich den Rest  re aus der Pandemie – sehr viel stärker mit
        in den USA hin, die dort allerdings in Droge-  teilten. Das wurde mehrfach geändert, zuletzt  Versorgungsdaten geforscht werden soll,
        rien angesiedelt sind. Es geht aber auch näher,  hatte sich Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn  hängt beides natürlich eng zusammen.

                                                                                                             x.press 23.3   13
   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18