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Titelgeschichte
Ärztinnen und Ärzte einigermaßen auf- wie Dr. Max Tischler betont, niedergelassener für sein Ministerium eine 51-Prozent-Mehrheit
wandsarm funktioniert, wird der ePA das Dermatologe in Dortmund und Medical gegriffen. Jetzt wird die gematik eine 100-Pro-
eRezept vorgeschaltet. Dieses soll – anders als Director bei der mit dem Berufsverband der zent-Tochter des BMG, also eine Behörde.
teilweise berichtet – nicht „Teil“ der ePA wer- Deutschen Dermatologen (BVDD) kooperieren- Was genau diese Verstaatlichung heißt,
den. Aber Daten, die in der Arztpraxis für das den Telemedizinplattform OnlineDoctor: „Prin- wird Stand April 2023 noch verhandelt. Aber
eRezept erfasst werden, sollen nicht noch mal zipiell eröffnet eine assistierte Telemedizin das Ministerium macht deutlich, dass es um
für die ePA-Medikation eingegeben werden Zugangswege gerade auch für Menschen, die mehr geht als Zahlenkosmetik: „Die gematik
müssen. Das ist zumindest der Plan (siehe In- sich das selbst nicht zutrauen. Wir haben in der hat heute an vielen Stellen eine undankbare
terview Seite 12). Schweiz so ein Modell: Apotheken sind Anlauf- Position, weil sie für Dinge verantwortlich ge-
stellen für Patientinnen und Patienten, und macht wird, für die sie gar kein Mandat hat.
Neues Leben für strukturschwache Regionen dann gibt es in räumlicher Nähe Fachärztinnen Das müssen wir auflösen. Wir werden sicher
Die neue ePA ist der Hauptdarsteller des Digi- und Fachärzte, die die jeweiligen Apotheken nicht nur die Governance anfassen, sondern
talgesetzes. Darin will die Ampelkoalition aber telemedizinisch mitbetreuen. Ein Vorteil ist, auch das Aufgabenspektrum.“ Software selbst
noch mit ein paar weiteren Rollen glänzen. Für dass die Fotos in solchen Szenarien vom Per- entwickeln, betont Sebastian Zilch, soll eine
viele überraschend kommt ein doch deutliches sonal aufgenommen werden, was die Qualität staatseigene gematik nicht. Das eine Mal, wo
Bekenntnis zu mehr Telemedizin, das sich vor verbessert. Auch anamnestische Informatio- sie das getan hat, bei der E-Rezept-App, soll
allem an zwei Vorhaben festmacht: Die 30-Pro- nen können prägnanter sein.“ eine Ausnahme bleiben. Das werden nicht zu-
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zent-Klausel, die besagt, dass Arztinnen und letzt die Hersteller von IT-Lösungen für das
Neues Leben für die gematik
Arzte im Rahmen der GKV-Abrechnung nur Gesundheitswesen gerne hören, die wiederholt
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30 Prozent ihrer Leistungen telemedizinisch Nicht sehr relevant für niedergelassene A� rz- vor Marktverzerrung und einem Einstieg in am
erbringen dürfen, will das BMG beerdigen. tinnen und A� rzte, aber heiß diskutiert im ge- Ende oft minderwertige „Staats-Software“ ge-
Wird das dazu führen, dass auch in Deutsch- sundheitspolitischen Berlin, war vor Veröf- warnt haben (siehe Interview Seite 12).
land beziehungsweise im GKV-Kontext bald fentlichung von Digitalstrategie und ersten
DiGA jetzt auch mit Ärztinnen und Ärzten?
rein digitale Leistungserbringer entstehen? Inhalten des Digitalgesetzes die Frage, was
„Davon gehe ich aus“, so Ozegowski. „Wir den- sich bei der Betreibergesellschaft der Telema- Runter von den gesundheits- und industriepo-
ken, dass es ein Berufsbild Telearzt/Teleärztin tikinfrastruktur, der gematik, ändert. Das litischen Höhen – und rein ins pralle Versor-
gibt, dessen Aufgabenspektrum sich etwas gungsleben. Dort gibt es unter anderem die
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unterscheidet von dem der Arztinnen und Arz- Nun liegt auch offiziell DiGA, die in der Ara Jens Spahn mit dem Digi-
te in der Praxis, die gelegentlich auch teleme- tale-Versorgung-Gesetz (DVG) unter dem Stich-
der Plan auf dem Tisch,
dizinische Leistungen anbieten.“ Ziel sei es wort „App auf Rezept“ eingeführt wurden. Die
aber definitiv nicht, dass es irgendwann nur DiGA haben in den letzten Jahren langsam, aber
noch Telemedizin gibt: „Es wird auch weiterhin die gematik komplett zu kontinuierlich an Akzeptanz gewonnen. Beson-
verstaatlichen.
eine flächendeckende Vor-Ort-Infrastruktur ders weit verbreitet sind sie jedoch noch nicht,
benötigt, und deswegen werden wir die Auf- und vor allem sind es digitale Insellösungen,
hebung der 30-Prozent-Regelung durch struk- keine in die Versorgungsprozesse (und die Pra-
turelle Regelungen begleiten.“ Schlagwort dazu lautet E-Health-Governance. xis-IT-Systeme) integrierten Anwendungen.
Das zweite telemedizinische Vorhaben im Letztlich geht es dabei um die Frage, wer in Das soll sich ändern. Zum einen sollen die
Digitalgesetz ist die Einführung der sogenann- Sachen digitales Gesundheitswesen in DiGA künftig mit den elektronischen Patien-
ten assistierten Telemedizin. In insbesondere Deutschland das Sagen hat. Dass die Ampelko- tenakten kommunizieren können. Zum ande-
hausärztlich unterversorgten Regionen sollen alition das Thema adressieren würde, hatte sie ren, und vielleicht wichtiger, sieht das Digital-
in Apotheken oder an Gesundheitskiosken, von schon mit der Ankündigung im Koalitionsver- gesetz vor, dass als Teil einer DiGA künftig auch
denen Karl Lauterbach langfristig tausend trag anklingen lassen, wonach die gematik in telemedizinische Leistungen angeboten wer-
Stück deutschlandweit aufbauen will, teleme- eine „Bundesagentur“ umgewandelt werde. den können. Damit könnten die DiGA sich stär-
dizinische Dienstleistungen in Anspruch ge- Das ist jetzt insofern etwas konkreter, als ker in Richtung digitale Versorgungsplattfor-
nommen werden können. Die Idee dabei ist, nun auch offiziell der Plan auf dem Tisch liegt, men entwickeln.
dass sich Gesundheitseinrichtungen finden, die die gematik komplett zu verstaatlichen. Zur
Daten nutzen, aber richtig
das gemeinsam organisieren. So könnte sich Erinnerung: Ursprünglich handelte es sich um
eine Apotheke mit Fachärztinnen und Fachärz- eine Gesellschaft der gemeinsamen Selbstver- Neben dem Digitalgesetz bastelt die Berliner
ten in der Region oder auch mit telemedizini- waltung, in der Krankenkassen und PKV 50 Gesundheitspolitik derzeit an einem zweiten
schen Dienstleistern zusammentun und bei- Prozent der Anteile hatten und Kassenärztliche Gesetz, das auf den Namen Gesundheitsdaten-
spielsweise teledermatologische oder teleoph- und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, nutzungsgesetz hört. Das „GDNG“ dreht sich
thalmologische Konsultationen anbieten. Bundesärztekammer und Bundeszahnärzte- nicht in erster Linie um Versorgung, sondern
Solche Modelle existieren in anderen Län- kammer, Bundesapothekerkammer und Deut- um Forschung. Aber da künftig – auch als Leh-
dern bereits. Zilch weist auf die Walk-in Clinics sche Krankenhausgesellschaft sich den Rest re aus der Pandemie – sehr viel stärker mit
in den USA hin, die dort allerdings in Droge- teilten. Das wurde mehrfach geändert, zuletzt Versorgungsdaten geforscht werden soll,
rien angesiedelt sind. Es geht aber auch näher, hatte sich Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn hängt beides natürlich eng zusammen.
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