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Titelgeschichte




        INTERVIEW         „eREZEPT AB 2024 VERPFLICHTEND“

          Sebastian Zilch, Leiter der Unterabteilung „gematik, Telematikinfrastruktur, E-Health“ in der Abteilung 5 „Digitalisierung und
          Innovation“ des Bundesministeriums für Gesundheit, äußert sich zur Zukunft des eRezepts und der Rolle der ePA.


          Î 	Die Digitalisierungsstrategie für das deutsche Gesundheitswesen   Î 	Und was hat das mit dem eRezept zu tun?
          liegt vor, daraus sind zwei Gesetzentwürfe hervorgegangen, die im Lau-  Wir wollen digitale Anwendungen so komfortabel und   SEBASTIAN ZILCH
          fe des Sommers finalisiert werden. Als jemand, der sich seit Langem mit   versorgungsnah wie möglich machen. Das gilt für die   Unterabteilungsleiter   Abb.: Stadtgören Fotografie
          der Gesundheits-IT beschäftigt: Wie fanden Sie den Strategieprozess?  Patientinnen und Patienten, aber auch für die Verschrei-  Bundesministerium für
                                                                                                 Gesundheit
          Mich hat fasziniert, wie viele Rückmeldungen wir bekommen haben und wie   benden. Viele Daten für die elektronische Medikation
          substanziell diese waren. Wir hatten mehrere Schleifen, erst Experten, dann   fallen bereits an, wenn ein eRezept ausgestellt wird. Diese Daten werden wir
          Workshops mit eingeladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, schließlich   nutzen, um die Medikation in der ePA anzulegen, genauso wie die Dispensier-
          eine komplett offene Befragung und Diskussion online. Da kamen in jeder   daten aus der Apotheke. So wird der Aufwand auf allen Seiten minimiert.
          Runde noch wertvolle Beiträge dazu. Da war nicht nur Begeisterung zu spü-
          ren, sondern auch der Wille, ganz konkret beizutragen. Auch übrigens sei-  Î 	Die Medikation wird künftig also Teil der ePA. Warum ist das besser?
          tens niedergelassener Ärztinnen und Ärzte.         Weil sie als eine Art Schrittmacher für weitere ePA-Module fungieren kann, die
                                                             die Medikation nutzen. Es könnte zum Beispiel sein, dass Kinder- und Jugend-
          Î 	Die Frage der Fragen: Wie geht es weiter mit dem eRezept?  ärzte den Bedarf für einen bestimmten digitalen Prozess sehen, der dann von
          Beim eRezept wird es ab Mitte 2023 weitere Übermittlungsmöglichkeiten   den IT-Herstellern umgesetzt und mit der Medikation verknüpft werden kann.
          neben der E-Rezept-App geben, inklusive einer Übermittlung mithilfe der   Auf diese Weise könnten schrittweise auch digitale Disease-Management-Pro-
          elektronischen Gesundheitskarte. Dann steht einem breiten Einsatz nichts   gramme und vieles andere Teil der ePA werden. Die Philosophie ist: Mehrwerte
          mehr im Weg, sodass wir die Nutzung des eRezepts ab 2024 verpflichtend   im Rahmen der ePA dort entstehen lassen, wo sie gebraucht werden.
          machen wollen. Das ist in Sachen digitaler Medikation aber nur der erste
          Schritt.                                           Î 	Nun haben Sie aber auch vor, die gematik zu einer komplett staatsei-
                                                             genen Bundesagentur zu machen. Die Bundesärztekammer hat das rela-
          Î 	Und welche Schritte folgen?                     tiv deutlich kritisiert. Besteht nicht die Gefahr, dass „die ITler in Berlin“
          Eine Kernkomponente des Digitalgesetzes wird die Einführung der ePA für   bald noch weiter von der realen Versorgung weg sind als ohnehin schon?
          alle. Das beschreibt, dass die elektronische Patientenakte für alle GKV-Ver-  Es wird eine ganz zentrale Aufgabe der neuen Digitalagentur sein, die Nutze-
          sicherten automatisch angelegt wird, sofern diese nicht widersprechen.   rinnen und Nutzer von Anfang an einzubinden, schon in die Planung und
          Hier werden wir die Medikation als ersten Anwendungsfall priorisieren.   nicht erst dann, wenn es darum geht, eine fertige technische Spezifikation
          Ziel ist, dass eine digitale Medikation bis 2025 bei 80 Prozent aller   abzunicken. Wir glauben übrigens auch nicht, was manche befürchten: dass
          ePA-Nutzer angelegt ist, die mindestens ein Medikament verordnet be-  künftig alles intransparenter wird. Wir glauben im Gegenteil, dass wir die
          kommen.                                            gematik wesentlich transparenter und partizipativer machen.<


        soll aber kein aufwendiges Zugriffs- und Frei-  Das ist der besagte „Opt-out“. Die zweite Vari- tet werden soll gemäß Digitalgesetz mit der
        gabeprozedere geben, solange die Betreffen-  ante ist, selbst mitzumischen. Wer die ePA-Da- elektronischen Medikation, die im Laufe des
        den das nicht wollen. Die Patientinnen und  ten selbst ansehen oder individuelle Zugriffs- Jahres 2025 wiederum bei 80 Prozent all jener
        Patienten benötigen primär keine App, keinen  rechte erteilen möchte, der kann das über die  ePA-Nutzer angelegt sein soll, die mindestens
        Nutzernamen, kein Passwort: „Wir werden ein  ePA-App oder ein Web-Frontend der ePA tun.  ein Medikament verordnet bekommen. „Hier
        Angebot für jeden und jede machen, eine ePA  Dazu braucht es dann eine digitale Identität,  wird es auf jeden Fall eine Verpflichtung für
        auch für all jene Menschen, die einfach nur  die ab 2024 bei den Krankenkassen beantragt  Leistungserbringer geben“, betont Ozegowski.
        wollen, dass ihre Versorgung funktioniert,  werden kann. Mit Hilfe dieser digitalen Iden- Heißt: Sowohl Arztpraxen als auch Apotheken
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        dass Arztinnen und Arzte auf wichtige Infor-  tität können die Versicherten ihre ePA-App so  müssen mitmachen. Das eingangs geschilderte
            �
        mationen jederzeit zugreifen können. Ich glau-  unkompliziert wie möglich nutzen. Auch hier:  „Kenn-ich-nicht-will-ich-nicht“-Szenario soll
        be, ein großer Teil der Bevölkerung denkt ge-  Details noch offen.     es nicht mehr geben.
        nau so, und ich finde das auch vollkommen                                Sebastian Zilch, Unterabteilungsleiter bei
                                           Den Anfang macht die Medikation
        legitim“, so Ozegowski.                                                Susanne Ozegowski im BMG, formuliert es so:
          Natürlich müssen im 21. Jahrhundert auch  So viel zum prinzipiellen Konzept der neuen  „Die Medikation muss überall laufen. Niemand
        Datenschutz und informationelle Selbstbestim-  ePA, die ab 2024 eingeführt werden soll und  wird sagen müssen: Haben Sie das? Geht das
        mung zu ihrem Recht kommen. Das soll auf  über die laut Minister Lauterbach im Laufe des  bei Ihnen?“ Die BMG-Idee ist, dass die elektro-
        zweierlei Weise geschehen: Wer gar nicht will,  Jahres  2025  mindestens  80  Prozent  aller  nische Medikation gewissermaßen die Keim-
        dass seine Daten in einer ePA gespeichert und  GKV-Versicherten verfügen sollen. Die nächste  zelle für andere ePA-Inhalte wird, die dann
        für die medizinische Versorgung zugänglich  spannende Frage ist natürlich: Was soll da  auch nicht im Einzelnen bundespolitisch vor-
        gemacht werden, kann die ePA löschen lassen.  rein? Auch hier legt sich die Politik fest: Gestar-  gegeben werden sollen. Und damit das alles für

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