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Porträt
Lernen in Sinnzusammenhängen
Als die Entscheidung für das Medizinstudium
gefallen ist, geht Heinz 2004 nach Berlin und
macht die Stadt zu ihrer neuen Heimat. Dort
findet sich Raum für neue Herangehensweisen.
Das gilt auch für die medizinische Ausbildung:
Heinz studiert im Reformstudiengang der
Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Das war
ein Modellprojekt, das auf die Methode des
‚problemorientierten Lernens‘ aufgebaut war“,
erklärt Heinz. Besonders ist, dass die klassi-
sche Aufteilung in Physikum, Vorklinik und
Klinik wegfällt und die Studentinnen und Stu-
denten von Beginn an auch in der Praxis arbei-
ten. Das Lernen findet in Sinnzusammenhän-
gen statt: Wird beispielsweise gerade die Ana-
tomie der Lunge besprochen, ist auch gleich-
zeitig die Vorstellung von entsprechenden
Krankheitsbildern oder die korrekte Anwen-
dung eines Asthmasprays Thema. Als Studen-
Abb.: Privat tin arbeitet Heinz selbst als Dozentin für pro-
DR. LEONOR HEINZ blemorientiertes Lernen an der Charité.
Durch das reformierte Studienkonzept hat
sie früh Berührungspunkte zur Allgemeinme-
dizin. Ab dem zweiten Semester verbringt sie
jeweils einen Tag in der Woche in einer Haus-
arztpraxis. Nach dem Studienabschluss im
Jahr 2009 fühlt sie sich zunächst von den Fä-
chern Neurologie und Psychiatrie angezogen.
Das erste Jahr als Ärztin in Weiterbildung
arbeitet sie in einer Klinik für psychische, psy-
Die
r. Leonor Heinz, Jahrgang 1985, ist Lei- chosomatische und neurologische Erkrankun-
gen und erhält hier Einblick in alle Abteilun-
terin der Koordinierungsstelle für die gen. Ihr fällt auf, dass der holistische Blick auf
DInitiative Deutscher Forschungspraxen- den Patienten, den sie in ihrem Studium ge-
netze – DESAM-ForNet. Datenerhebung und
-verarbeitung als Teil des hausärztlichen Ver- Holistische
sorgungsalltags im Kontext der Erkenntnisge-
nerierung „aus der Praxis, für die Praxis“ –
diese Vision von Digitalisierung treibt die
Allgemeinmedizinerin an.
Hausärztliche Praxen sollten
Mit der Hausarztmedizin kommt Leonor lernt hat, in der Klinik nicht umgesetzt wird.
stärker in die Forschung einbe-
Heinz früh in Berührung. Die Eltern führen „Wenn sich jemand vorstellt, überlegt man im
eine Gemeinschaftspraxis im ländlichen Rhein- zogen werden, findet Dr. med. Krankenhaus eher, ob er in die jeweilige Ab-
Leonor Heinz. Die Fachärztin für
hessen. Nach der Schule ist sie nicht sicher, ob teilung gehört, als ihn zu behandeln. Das hat
Allgemeinmedizin ist Leiterin
sie der Familientradition folgen und Medizin mir nicht gefallen“, erinnert sie sich. Also wen-
der Koordinierungsstelle für die
studieren will. Doch sie interessiert sich für det sie sich dem Fach Allgemeinmedizin zu und
die Momente im Leben, in denen Menschen an fühlt sich angekommen.
Initiative Deutscher Forschungs-
den Wendepunkten ihrer persönlichen Lebens- Während ihrer beruflichen Karriere ver-
praxennetze – DESAM-ForNet.
geschichten und -entscheidungen stehen. folgt die Ärztin den Ansatz, sich breit aufzu-
„Menschen in solchen Situationen individuell stellen, in möglichst viele Bereiche der medi-
bestmöglich nach den verfügbaren medizini- zinischen Tätigkeit hineinzuschauen und die
schen Möglichkeiten, mit ärztlicher Haltung, Patientenversorgung ganzheitlich zu betrach-
zu begleiten – diese unmittelbare Sinnhaftig- ten – nicht nur im unmittelbaren Patient-
keit hat mich angezogen“, sagt sie. Und das Arzt-Kontakt, sondern auch in den Prozessen,
sprach für ein Studium der Medizin. die die Versorgungsabläufe strukturieren.
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