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Thema
BUNDESTAGSWAHL
Was kommt da auf uns zu?
Wer prägt die Gesundheitspolitik in den nächsten Jahren? Bekommen wir „mehr Staat“? Oder doch
„mehr Wettbewerb“? Klar ist: Die E-Health-Agenda der neuen Bundesregierung trifft auf schwierige
finanzielle Rahmenbedingungen.
Das Geld wird knapper
enn Sie diesen Artikel lesen, liegt die Olaf Scholz vereinbarten deswegen Ende Mai
Bundestagswahl hinter uns, aber es Jubeln wird ein neuer Finanzminister ange- 2021, den Bundeszuschuss zum Gesundheits-
W wird noch kein neuer Gesundheits- sichts der Finanzlage der GKV jedenfalls nicht. fonds – derzeit 19,5 Milliarden Euro – deutlich
minister in Amt und Würden sein. Ein Inter- Die Politik von Jens Spahn und die Corona-Kri- auf 27 Milliarden Euro zu erhöhen.
regnum ist die Zeit der Auguren: Wie könnte se haben dazu geführt, dass das bequeme Fi- Das werde nicht reichen, ließ die AOK da-
es weitergehen mit der Gesundheitspolitik – nanzpolster von Krankenkassen beziehungs- raufhin prompt durchblicken. Ein Änstieg des
und vor allem natürlich der E-Health-Politik? weise Gesundheitsfonds praktisch vollständig Zusatzbeitrags um 0,8 Prozent sei unvermeid-
Erste Anlaufstelle bei solchen Fragen sind die abgeschmolzen ist. Das GKV-Budget, in Summe bar, sofern der Zuschuss nicht – wie von Spahn
Wahlprogramme der Parteien. Es interessiert rund 260 Milliarden Euro, wies im Jahr 2020 initial angekündigt – um weitere 5,5 Milliarden
aber auch die „politische Großwetterlage“, die zum ersten Mal seit 2016 wieder ein Defizit auf, Euro angehoben werde. Diese „Zahlenspiele“
Rahmenbedingungen, mit denen sich ausein- nämlich rund 3,5 Milliarden Euro. Das ist das zeigen zweierlei: Die finanziellen Spielräume
andersetzen muss, wer auch immer in der Ver- größte Minus seit 2012. Und es ist erst der An- im Gesundheitswesen sind in der kommenden
antwortung stehen wird. In der Gesundheits- fang: Für 2022 erwartet die GKV ein Defizit Legislatur deutlich geringer. Und der Anteil des
politik sind diese Rahmenbedingungen beson- von 19 Milliarden Euro. Staats an der Finanzierung der GKV steigt durch
ders wichtig. Denn sie ist ein träger Tanker, die Erhöhung des Bundeszuschusses weiter an.
„Die EU und Deutsch-
kein wendiges Schnellboot. Finanziell stehen die Zeichen in der Gesund-
Die großen Themenkomplexe, die die Ge- land müssen bei hoheit- heitspolitik vorerst klar auf „mehr Staat“.
sundheitspolitik der nächsten Jahre nach Mei-
nung von Beobachtern neben der Digitalisie- lichen digitalen Identitä- Bündnis 90/Die Grünen:
rung prägen werden, sind die GKV-Finanzen Trend zu Privatisierung
und die Frage der Versorgungsorganisation – ten Vorreiter sein und umkehren
Vertrauen durch Souve-
konkret: Regionalisierung versus Zentralisie-
rung. Eng mit beidem zusammen hängt die Doch gilt das auch für die
gesundheitspolitische Gretchenfrage des deut- ränität schaffen.“ Programmatik? Beginnen
schen Gesundheitswesens schlechthin: Brau- wir mit Bündnis 90/Die Grünen. Prinzipiell
Wahlprogramm Bündnis 90/Die Grünen
chen wir mehr Wettbewerb? Oder mehr Staat? will die Partei die Gemeinwohlorientierung
zur Bundestagswahl 2021
Was den letzten Punkt angeht, liefern die stärken und den „Trend hin zu Privatisierung“
Wahlprogramme der Parteien Anhaltspunkte. Ausgeglichen werden könnte es durch eine Er- umkehren. Im Detail wird für eine Stärkung
Doch blicken wir zunächst auf die GKV-Finan- höhung des Zusatzbeitrags, der derzeit im der Hausärzte und weiterer Gesundheitsberu-
zen, die am Ende der Realitätstest für alle Durchschnitt bei 1,3 Prozent liegt. (Die Kran- fe plädiert, um einen besseren Zugang zur Ver-
Programmatik sein werden. Was ist finanziell kenkassenbeiträge insgesamt betragen im sorgung zu erreichen. Stationäre und ambu-
in den nächsten Jahren zu erwarten – unab- Durchschnitt 15,7 Prozent.) Würden 19 Milli- lante Angebote sollen „übergreifend geplant“
hängig davon, ob wir von einer schwarz-grü- arden Euro allein über den Zusatzbeitrag fi- und regionale Versorgungsverbünde „mit en-
nen Regierung, einer schwarz-rot-gelben nanziert, müsste dieser mehr als verdoppelt ger Anbindung an die Kommunen“ gefördert
„Deutschland-Koalition“, einer Ampelkoaliti- werden – und die Entscheidung darüber fiele werden. Ein konkretes Vorhaben sind gemein- Abb.: iStockphoto.com © shutter_m
on, einer schwarz-gelb-grünen „Kenia-Ampel“ im ungünstigen Fall noch während der Koali- wohlorientierte, regionale Gesundheitszen-
oder einer rot-rot-grünen Linkskoalition re- tionsverhandlungen. Die Politik wollte ein tren. Nichtärztliche Gesundheitsberufe sollen
giert werden? solches Szenario vermeiden: Jens Spahn und eigenverantwortlicher arbeiten.
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