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Titelgeschichte
ber Gesundheitsdaten zu philosophieren, zentrale Artikel in der Basics-Sektion der
solange man im Wesentlichen gesund ist, Webseite. Dazu kommen mehrteilige Tutorials
Üist eine Sache. Wer schwer erkrankt, bei für Dokumenten-Upload, Tipps für Ärztinnen
dem ändert sich oft der Blickwinkel. Bei Oliver und Ärzte, Videointerviews und vieles mehr.
Merx war es vor zwei Jahren so weit. Im Alter
Patienten sind von der ePA überzeugt
von 55 Jahren wurde ein seltener, neuroendo-
kriner Bauchspeicheldrüsentumor diagnosti- Warum sind Oliver und Michaela Merx von
ziert, eine schwere, überwachungsbedürftige, dem Konzept einer ePA prinzipiell so über-
chronische Erkrankung, mit der er seither leben zeugt? Im Vordergrund steht die Archivfunk-
muss. Völlig neu war diese Situation für ihn tion, das wundert nach den Erfahrungen mit
insofern nicht, als seine Frau Michaela seit Lan- dem Küchentisch nicht. Es ist aber nicht die
gem an Multipler Sklerose leidet: „Irgendwann reine Archivierung: „Das Gute bei einer ePA
saßen wir dann am Küchentisch vor einem im Vergleich zur Online-Ablage wie einer
Haufen Unterlagen aus Papier und fragten uns: Dropbox oder ähnlichen Diensten ist, dass ich
,Muss das so sein?‘ Ich habe allein eine ganze die Daten nicht nur digital speichere, sondern
Handvoll Patientenausweise, die ich mit mir sie A� rzten auch zur Verfügung stellen kann.
herumtragen müsste, was ich aber nur selten Ich muss im Idealfall nur auf einen Button
tue. Und einige Unterlagen, die irgendwann mal drücken. Das ist schon ein Riesenvorteil.“
HENNE-EI-KONFLIKT
ePA vor dem Start
Die elektronische existierten, sind mittlerweile verschwunden.“ Auch die Möglichkeit, eigene Unterlagen
Patientenakte ist Andere hätten sich an dieser Stelle schul- oder selbst erhobene Daten mit den ärztlichen
da, aber sie ist terzuckend den nächsten Leitz-Ordner gekauft. Unterlagen oder den Krankenhausunterlagen
noch nicht wirklich Oliver und Michaela Merx beschlossen dagegen, zu kombinieren, findet Oliver Merx sehr
in der Versorgung es mit den zu diesem Zeitpunkt – Mitte 2021 attraktiv – gerade bei chronischen Erkrankun-
angekommen. Das – noch recht neuen elektronischen Patienten- gen, die Selbstmanagement erfordern und bei
akten (ePA) ihrer Krankenkassen zu versuchen. denen zu Hause Daten erhoben werden müs-
soll und muss sich „Aus dem Versuch wurde dann eine Art fami- sen. Und noch einen dritten Punkt hebt Merx
ändern. liäres Projekt“, so Merx. Genauer: Die beiden hervor: „Was richtig gut ist, was aber leider
digitalisierten nicht nur die eigenen Kranken- zumindest bei unserer Akte im Moment noch
unterlagen und luden sie in die jeweiligen ePA- nicht vernünftig funktioniert, ist die Vertre-
Apps hoch. Sie gründeten im Februar 2022 auch terregelung.“ Diese besagt, dass andere – zum
das „ePA-Magazin“, ein Online-Magazin von Beispiel Familienangehörige – für die ePA frei-
Patienten für Patienten, rund um das Thema geschaltet werden und dann stellvertretend
elektronische Patientenakte. Erleichtert wur- für Akteninhaberin oder Akteninhaber agieren
de das dadurch, dass Merx gewisse Vorerfah- können. „So werden innerfamiliäre Netzwerke
rungen hatte: Nach der erfolgreichen Entfer- unterstützt, das überzeugt uns sehr.“
nung des Tumors hatte er mit „Doktor-eBike“ Archivierung, eigene Daten hochladen,
schon einmal eine Special-Interest-Webseite Stellvertreterregelung: Es sind relativ simple
gelauncht, eine Art Tagebuch, das sich sowohl und sehr alltagsrelevante Aspekte der ePA,
mit Gesundheit als auch E-Bike-Fahren be- die Pioniernutzer wie das Ehepaar Merx be-
schäftigt und gute Resonanz bekommen hatte. sonders hervorheben. Das steht in merkwür-
Warum also nicht auch bei der ePA? digem Kontrast zu gesundheitspolitischen
Dass eine derartige Publikation zu einem ePA-Diskussionen, in denen es vielfach eher
Zeitpunkt, an dem gerade einmal 400 000 von um Konzepte zur Nutzung der ePA als
rund 73 Millionen GKV-Versicherten in Ressource für die Forschung, um die Daten-
Deutschland eine ePA beantragt hatten, Ba- strukturierung mithilfe Medizinischer Infor-
sisarbeit leisten muss, ist klar: „Von wem er- mationsobjekte (MIO) wie Zahnbonusheft,
halte ich meine ePA?“, „Wer bezahlt meine Kinder-U-Heft, Impfpass und Mutterpass oder
ePA?“ oder „Wie aktiviere ich meine ePA?“ sind um die Anbindung digitaler Gesundheits-
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