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Kompakt Wachsendes Netz Abb.: © Petr Ciz - Fotolia.com
Interview E-Health-Gesetz Das sichere Netz der KVen (SNK) verzeichnet
stetig steigende Nutzerzahlen.
Dr. Markus Müschenich
Das sichere Netz der Kassenärztlichen
Dr. Markus Müschenich ist Facharzt für Vereinigungen (SNK) wird zurzeit von
Kinderheilkunde und Vorstand im Bundes- über 60 000 Ärzten und Psychotherapeuten
verband Internetmedizin. genutzt. Damit zählt Deutschlands größtes
Gesundheitsnetz etwa 19 000 Nutzer mehr
Sie haben kein gutes Haar am Entwurf des E-Health-Gesetzes gelassen. als Anfang 2014. „Der stetige Zuwachs zeigt,
Was hat Sie daran gestört? dass das sichere Netz mit seinem breiten
Der Bundesverband Internetmedizin nimmt die Perspektive seiner Mitglieder ein, Spektrum an nützlichen Anwendungen
die einen Anspruch an das und vor allem Kenntnis von dem haben, was längst in angenommen wird“, sagte Dr. Andreas
der digitalen Gesundheitswelt Realität ist: der selbstbestimmte Patient, der sich Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kas-
um seine Gesundheit kümmert und aktiv mit seinen Ärzten kommuniziert. Medizi- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
ner, die die Internetmedizin mit entwickeln, weil sie ihre Patienten so besser
therapieren können, brauchen keine Fristen und keine Sanktionen. Die KBV rechnet damit, dass die Zahl der
Nutzer weiter steigt. Neue Online-Anwen-
Auch die Anreizsysteme für Ärzte halten Sie nicht für zielführend? dungen wie der elektronische Arztbrief und
Wenn die Vergütung einer Leistung der primäre Anreiz ist, diese zu erbringen, Förderprogramme der Kassenärztlichen
dann ist Kritik an der Qualität eines Gesetzes angebracht. Die Ärzteschaft wird im Vereinigungen würden dazu beitragen.
Referentenentwurf auf den Status von Zuwendungsempfängern reduziert, deren
Interesse es zu sein scheint, für die elektronische Übermittlung von E-Mails Ge- Vernetzung: Elektronische Kommunikation über das SNK
bührenpositionen abgreifen zu wollen. Natürlich muss die Vergütung stimmen,
und zwar insbesondere für neue digital unterstützte Versorgungsmodelle – die Geplant ist unter anderem auch ein Dienst
es im Übrigen bereits heute gibt. Das, was heute schon möglich ist, erscheint im zur elektronischen Übermittlung von Labor-
Gesetzentwurf bestenfalls als optionale Perspektive der nächsten Jahre. aufträgen und -befunden.
Welche Maßnahmen hätten Sie sich erhofft? KBV-Vorstandschef Dr. Gassen wies da-
Das größte Defizit ist, dass der Patient im geplanten Gesetz gar nicht als Betroffe- rauf hin, dass nicht nur Ärzte und Psycho-
ner und aktiver Nutzer neuer Gesundheitsservices vorkommt. Erst schreien alle nach therapeuten das SNK nutzen können. „Es
dem mündigen Patienten, dann ist er da und wird ignoriert. Das Gesetz tut so, als ob steht auch anderen Akteuren zur Verfü-
die Gesellschaft für Telematik das Maß der Dinge in Sachen digital unterstützter Ge- gung, solange die von der Bundesregierung
sundheitsversorgung werden könnte. In Sachen Autobahnmaut mag ein staatliches beschlossene Telematikinfrastruktur noch
Infrastrukturmonopol funktionieren, im Gesundheitswesen führt es zu Planwirtschaft nicht fertig ist.“ Viele Krankenhäuser, aber
mit den bekannten negativen Konsequenzen für die medizinische Qualität. auch einige Apotheken und Krankenversi-
Wir favorisieren einen produktiven Wettbewerb. cherungsträger, sind bereits angeschlossen.
So erfolgt zum Beispiel auch die Abrech-
Können Innovationsfonds und Versorgungsstrukturgesetz die digitale nung der Ärzte mit der gesetzlichen Unfall-
Medizin voranbringen? versicherung über das SNK. Mitte 2015
Der Innovationsfonds kann als hervorragender Katalysator für die digitale Medizin werden die Kassenärztlichen Vereinigun-
dienen. Auch das ist ein Grund, warum der Entwurf zum E-Health-Gesetz zu än- gen ihre bestehenden geschützten Internet-
dern ist. Denn die intersektorale Versorgung via digitaler Medizin wird nicht pri- portale in das SNK integrieren.
mär über B2B-Kommunikation zwischen den Leistungserbringern funktionieren.
Die wirklich intelligente Vernetzung wird über den Patienten sichergestellt wer- www.kbv.de
den. Der Patient wird selbst zum Netzknoten der intersektoralen Kommunikation.
Wenn das nicht im Gesetz berücksichtigt wird, wird auch dieser Versuch, intersek-
torale Versorgung zu verbessern, scheitern – so wie der erste Versuch 2006 mit
IV-Verträgen und Anschubfinanzierung.
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