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KOMPAKT
INTERVIEW Spielraum für Verschlankung
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) brauchen bald obligat eine Anbindung an die
elektronische Patientenakte (ePA). Macht das Sinn? Und wenn ja, wie geht das?
DiGA sind derzeit digitale Solitäre. Künftig sollen sie an die ePA Um mit der ePA zu kommu-
angebunden werden. Warum? nizieren, muss die DiGA die
DiGA stellen eine weitere Form der Datenbereitstellung dar, wie Labor-, Arzt- Krankenversichertennummer STEFAN MÜLLER-MIELITZ
praxis- und Krankenhaus-IT-Systeme, nur dass bei der DiGA der Patient oder kennen. Woher kennt sie die? Berater, unterstützt DiGA
beim Zugang zur TI
die Patientin selbst die Datenquelle ist. Das macht bei vielen Erkran- Hier kommt die neue digita-
kungen Sinn, weil so Daten für die Behandlung – übrigens auch le Gesundheits-ID ins Spiel. Nutzer oder Nutzerin werden sich dazu mit
für die Forschung – zur Verfügung gestellt werden können, ihrer Gesundheits-ID bei der DiGA anmelden. Es folgt ein Sprung in
die sonst entweder gar nicht oder nur analog vorlägen. Die Bei der DiGA die Kassen-App, wo ein Log-in nötig wird. Ist das erfolgt, erhält die
DiGA ist ein Datenkanal, der voll und ganz patientenseitig ist der Patient oder DiGA die Krankenversichertennummer aus der Identity-Provider-Fö-
kontrolliert wird – in der digitalen Welt der erste derartige die Patientin deration auf dem Umweg über das DiGA-Backend. Ich sehe trotz-
Kanal. die Datenquelle. dem Spielraum für eine Verschlankung, da anschließend der Patient
oder die Patientin noch mal die DiGA für das Schreiben in die eigene
Wie funktioniert die Anbindung genau? ePA freischalten muss. Man kann schon die Frage stellen, wie sinnvoll
Und welche Nut zungsszenarien werden dann möglich? es ist, dass ich mich selbst berechtigen muss, in meine eigene ePA schrei-
Prinzipiell werden die DiGA als MIO in die ePA eingebunden. Allerdings ben zu dürfen. Eine zusätzliche Hürde kann es sein, dass der Patient oder die Pa-
handelt es sich dabei um ein allgemeingültiges MIO, das durch alle DiGA ge- tientin seine oder ihre DiGA aus dem Verzeichnisdienst auswählen muss.
füllt werden kann. Dadurch geht die Spezifität der DiGA-Daten verloren und das
begrenzt den Nutzen der Daten deutlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ta- Gibt es auch aufseiten der Praxissoftware-Hersteller Handlungsbe darf?
gebücher eine zunehmende Rolle bei der Therapiebegleitung spielen werden, Da ist das Thema bei der ePA vor allem die Darstellung der Daten. Es gibt dazu
bei Adipositas zum Beispiel. Auch werden künftig Medizingeräte über die DiGA den MIO-Viewer als Angebot an die Hersteller. Das Problem: Solange niemand
als „MIO Device“ Daten einspeisen können: also Blutdruckmessgerät, Waage, weiß, was eigentlich im DiGA MIO drin ist, kann man sich natürlich auch schlecht
Sensoren unter anderem für Blutzucker. Das wird aber noch dauern. über die Darstellung Gedanken machen.<
SCHUPPENFLECHTE
Eine Telemedizin-Lösung für geplagte Patientinnen und Patienten
I n Deutschland sind acht Millionen einer 3D-Ansicht betrachten und mit-
Menschen von Psoriasis (Schuppen-
tels Sensorhandschuh die Tiefe der Pla-
flechte) betroffen. Die Erkrankung ver- ques ertasten können. An der Entwick-
läuft chronisch. Eine lange Behandlungs- lung der App waren mehrere Unterneh-
dauer sowie häufige Rückfälle stellen men und Einrichtungen beteiligt: Das
für die Betroffenen eine psychische Be- Unternehmen HS-Analysis aus Karlsruhe
lastung dar. Um die Behandlungsqualität hat für die KI-basierte Analyse der
trotz fester Termine und langer Warte- Hautveränderungen bis zu 4 000 Bilder
zeiten in den Praxen zu verbessern, set- ausgewertet. Vom Forschungszentrum
zen Würzburger Hautärztinnen und Informatik aus Karlsruhe stammt das vi-
Hautärzte die App HybridVITA ein. Ihre so-taktile System, mit dem der Arzt
Patientinnen und Patienten sollen damit oder die Ärztin die Hautoberfläche aus
die charakteristischen roten Hautver- der Ferne fühlen kann. Das Zentralinsti-
änderungen (Psoriasis-Plaques) foto- tut für Seelische Gesundheit in Mannheim
grafieren und an die behandelnde Arzt- hat ein begleitendes pschoytherapeuti-
praxis übermitteln. Eine künstliche In- DATENHANDSCHUH: Hautveränderungen remote ertasten sches Coaching für die Betroffenen ent-
telligenz (KI) wertet die Bilder aus. Bei wickelt. An den Unikliniken Mannheim,
einer Verschlechterung kann schnell die Visite vereinbaren. Bei dieser „Visite“ Heidelberg und Würzburg soll eine Mach-
erforderliche Therapie eingeleitet tragen die Dermatologinnen und Der- barkeitsstudie mit 100 Psoriasis-Pati-
werden. Über die App können die Patien- matologen eine Virtual-Reality-Brille, entinnen und -Patienten durchgeführt
tinnen und Patienten auch eine virtuelle mit der sie die Hautveränderungen in werden.< UKW.DE
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