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THEMA
INTERVIEW Wir sehen uns als Digitalisierungs-Architekten
In Sachen Digitalisierung klaffen die Interessen der gesetzlichen (GKV) und der privaten
Krankenversicherung (PKV) nicht so weit auseinander, wie ihre natürliche Konkurrenz
vermuten ließe. Christian Hälker, Geschäftsführer beim PKV-Verband, erläutert den aktu-
ellen Stand.
2025 kommt die „ePA für alle“. Erklärtes chitekten der Digitalisierung. Seit 2020 sind wir
Ziel des Bundesgesundheitsministers Karl als PKV auch wieder als Gesellschafter in der CHRISTIAN HÄLKER
Geschäftsführer beim PKV-Verband
Lauterbach ist, dass 80 Prozent der gesetzlich gematik vertreten und arbeiten aktiv an der Ge- und Leiter des Geschäftsbereichs Finanzen,
Versicherten dann eine elektronische Patien- staltung der Telematikinfrastruktur 2.0 mit. Personal, Organisation und IT
tenakte haben werden. Was bedeutet das für
die PKV? Ein Beispiel?
Private Krankenversicherungen sind gesetzlich Wir arbeiten derzeit an der elektronischen Rech- weil sie die Handhabung für Arztpraxen und Apo-
nicht dazu verpflichtet, eine elektronische Pati- nung (eRechnung). Sie macht das ganze Verfah- theken erleichtern.
entenakte anzubieten. Wir sind da also ganz fle- ren viel schneller und weniger anfällig für Fehler,
xibel. Unsere Mitgliedsunternehmen schauen, als wenn die Versicherten die Rechnung auf Pa- Welche weiteren Entwicklungen schweben
wo es den meisten Mehrwert gibt. Die ePA hat pier erhalten. Damit die gematik das Thema über- Ihnen vor?
in ihrer heutigen Form bislang weder den Pati- haupt in Angriff nehmen konnte, musste die Sehr interessant für uns ist das elektronische Be-
entinnen und Patienten besonders viel ge- eRechnung zunächst gesetzlich als TI-Anwen- antragungs- und Genehmigungsverfahren Zahn-
bracht noch sich als Business Case bewährt. Das dung verankert werden. Das ist mit dem Digi- ärzte (EBZ). Dabei verschicken Zahnärztinnen
wird sich mit der neuen ePA sicherlich ändern. tal-Gesetz erfolgt. und Zahnärzte die Behandlungspläne, die sie
Wenn die richtig ins Rollen kommt, für Leis- früher auf Papier bei den Krankenkassen einrei-
tungserbringer leichter zu befüllen ist, mehr chen mussten, direkt aus ihrem Praxisverwal-
medizinische Informationsobjekte enthält und tungssystem an die Krankenkasse und erhalten
damit ihren Nutzen richtig entfalten kann, wer- auf gleichem Wege deren Antwort. Bislang sind
den auch mehr Privatversicherungen eine ePA Wir setzen seit schon über zwölf Millionen Heil- und Kostenplä-
anbieten. ne auf diesem Wege ausgetauscht worden. Wir
vielen Jahren würden uns dort gern einklinken, denn viele
Das klingt ein wenig so, als würde die PKV Digitalisierungs- Zahnzusatzversicherungen sind Privatversiche-
der Digitalisierung hinterherlaufen. rungen. Es wäre sehr komfortabel für einen Pa-
Ganz im Gegenteil! Wir setzen seit vielen Jahren projekte um. tienten, wenn er zusammen mit dem Kostenvor-
Digitalisierungsprojekte um. Das eRezept funkti- anschlag erfahren würde, welchen Anteil die
oniert auch für Privatversicherte schon sehr gut. Zahnzusatzversicherung übernehmen würde
Seit Jahresbeginn wurden 11 000 private eRezep- und wie viel er selbst bezahlen muss. Auch an-
te ausgestellt (Stand: Anfang April), das ist eine sonsten sind Zusatzversicherungen ein spannen-
beachtliche Zahl. Viele unserer Mitgliedsunter- des Thema für uns – etwa die Frage, wie Infor-
nehmen sind damit gestartet und nicht mit der Sie konzentrieren sich also auf PKV-spezifi- mationen über eine private Zusatzversicherung
ePA, weil die Vorteile des eRezepts auf der Hand sche Anwendungen? in der ePA eines gesetzlich Versicherten abge-
liegen – auch wenn es hier und da in der techni- Nein. Es gibt zwar einen Wettbewerb zwischen legt werden können oder wie dann mit dem Ab-
schen Umsetzung noch etwas hakt. Aber die Feh- PKV und GKV – aber die Trennung der beiden rechnungsprozess insgesamt umgegangen wer-
lerquote fällt gemessen an den insgesamt 152 Mil- Systeme macht in der Digitalisierung überhaupt den kann. Wir suchen auch nach einer Lösung,
lionen eRezepten (Stand: 16. April), die bislang keinen Sinn. Technisch gesehen läuft alles über wie privatversicherte Eltern die Patientenakten
ausgestellt worden sind, sehr gering aus. Weil wir die gleichen Server, und auch der Standard für oder eRezepte ihrer Kinder verwalten können.
sie anwendungsfreundlicher finden als die elekt- den Austausch der Daten ist derselbe. Außerdem
ronische Gesundheitskarte, setzen wir auf die di- haben wir sehr ähnliche Interessen. Bei der digi- Wann ist denn damit zu rechnen?
gitale Identität als Zugang zur TI – deren Entwick- talen Identität haben wir eng mit einer gesetzli- Wir gehen davon aus, dass am Ende des ersten
lung hat sich leider verzögert, das hat uns in un- chen Krankenkasse zusammengearbeitet, eben- Quartals 2025 ungefähr sieben Millionen
serem Zeitplan etwas zurückgeworfen. Aber als so beim Online-Check-in. In der gematik sitzen PKV-Versicherte über eine ePA verfügen oder ein
Vorstufe haben wir den Online-Check-in für Arzt- wir sowieso alle in einem Boot und müssen an eRezept einlösen können. Bei den anderen Funk-
praxen etabliert. Derzeit statten wir die Versi- einem Strang ziehen. Gemeinsame Standards tionalitäten sind wir in den Startlöchern. Wann
cherten dafür mit ihrer Krankenversichertennum- und ähnliche Prozesse sind auch für die Akzep- wir das Ziel erreichen, kann ich noch nicht sa-
mer aus. Alles in allem verstehen wir uns als Ar- tanz bei den Leistungserbringern sehr wichtig, gen.<
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