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Titelgeschichte
sche EKG-Auswertung sowie Videobrillen und vorletzten Aufenthalt zurück.“ Beliebt ist auch tige „Befund-Produzenten“ zieren sich: „Mit
(W)LAN-fähige Stethoskope für Delegations- das handschriftliche Ergänzen des BMP-Zettels unserer Radiologie werden wir demnächst mal
szenarien. Er meint die Schlafüberwachung oder das Produzieren jeweils eigener BMPs. reden. Die schicken immer noch lieber zehn
zum Apnoe-Screening und, weiter nach vorn Wie auch immer, am Ende ist es an Bodendieck Faxe am Tag. Das muss aufhören.“
geblickt, intelligente Sensorik aller Art in digi- – oder an anderen Allgemeinmedizinern –, die
Und was wäre besser?
tal vernetzten Wohnungen. Sache auf den aktuellen Stand zu bringen. Mehr
„Das meiste davon existiert längst, aber wir Bürokratie, nicht weniger. Die Telematikinfrastruktur und ihre Anwen-
kriegen diese Dinge nicht in die Breite. In der Was ist mit der eAU? Sie ist immerhin die dungen – eine Pleite auf der ganzen Linie also?
täglichen Praxis ist nicht einmal ein Promille von erste TI-Anwendung, die sich in Deutschland Zumindest ist die Digitalisierung des deut-
dem angekommen, was digital heute möglich jemals flächendeckend durchgesetzt hat. Die schen Gesundheitswesens bisher keine Er-
wäre“, so Bodendieck. Warum? Weil es kein In- eAU sieht Bodendieck halbwegs gelassen, aber folgsgeschichte. Es stellt sich daher die Frage,
teresse gibt. Weil es keine Finanzierung gibt – auch da sagt er sehr deutlich: „Wir haben nichts wie es besser gehen würde. Tatsächlich ver-
was dann dazu führt, dass das Blutdruckmoni- davon, das ist reine Verwaltungsdigitalisie- sucht sich die Ampelkoalition derzeit an einer
toring plötzlich zu einer IGeL-Leistung für 230 rung.“ Bei der aus Sicht der Praxen der Teufel Neuausrichtung der Digitalisierung des deut-
Euro pro Quartal wird. Oder auch weil die Ein- dann im Detail steckt. Bis Ende 2022 war nur schen Gesundheitswesens. Im Herbst 2022
bindung in existierende IT-Infrastrukturen, der eAU-Prozess in Richtung Krankenkasse fand eine Reihe von Workshops und Anhörun-
Stichworte Schnittstellen und Interoperabilität, digitalisiert. Den Patientinnen und Patienten gen statt, an denen außer den „üblichen Ver-
so umständlich oder so teuer ist, dass es niemand mussten zusätzlich zwei Papierausdrucke aus- dächtigen“ auch viele Leistungserbringer so-
freiwillig macht. „Wir sind immer nur damit be- gehändigt werden, einer für die Arbeitgeber, wie Patientinnen und Patienten teilnahmen.
schäftigt, irgendwelche Papierprozesse in digi- einer für die private Dokumentation. Seit An- Ziel ist (siehe x.press 1/2023), eine neue, streng
tale Prozesse zu übersetzen. Und das führt re- genommen die erste, Digitalstrategie für das
gelmäßig zu mehr Bürokratie. Das ist nicht die „In der täglichen Praxis ist deutsche Gesundheitswesen zu entwickeln.
Art von Digitalisierung, die wir brauchen.“ Bis Redaktionsschluss lag die ausformulier-
nicht einmal ein Promille te Strategie noch nicht vor, wohl aber ein Eck-
Das Panorama des Zusatzaufwands punktepapier (siehe Kasten auf Seite 14). Ob
In medias res, Herr Bodendieck. Das NFDM? von dem angekommen, die Digitalstrategie den nötigen Schwenk
was digital heute möglich
„Das benutzt eigentlich keiner.“ Das habe viele schafft – weg von einer Digitalisierung, die zu
Gründe. Den Notfalldatensatz anzulegen, sei lasten von Effizienz (und zu versteuerndem
umständlich. Es gebe keine Verbindung zu einer wäre.“ Einkommen) der Praxen geht, hin zu einer Di-
über die Basisdaten hinausgehenden ePA. Es gitalisierung, die es ermöglicht, den Versor-
fehlten oft PINs, wenn sie benötigt würden. Und fang 2023 ist auch der Arbeitgeberprozess gungsalltag digital gestützt zu organisieren
es gebe ständig technische Pannen, darunter digital, oder sollte es sein. Ausgedruckt werden und die Patientenversorgung zu verbessern?
Systemabstürze bei bestimmten Kombinatio- muss aber immer noch, „nur noch“ ein Zettel, Viele hoffen darauf, mindestens genauso
nen von Lesegerät und elektronischer Gesund- denn die Patientinnen und Patienten sollen ja viele sind skeptisch. Bodendieck hat zumindest
heitskarte. Kurz gesagt: Ja, es gibt einen Nutzen was in die Hand kriegen: „Es gibt halt keine konkrete Empfehlungen in Richtung Ministe-
für die Patientinnen und Patienten. Aber so, wie ePA, in die ich das einfach reinschieben könn- rium und gematik: „Eine Strategie sollte zu-
es derzeit gestaltet ist, ist das NFDM der großen te.“ Überhaupt Ausdrucke. Nicht so einfach: nächst einmal identifizieren, was als überge-
Mehrheit der Einrichtungen zu umständlich, „Wir haben so viel wie möglich von den alten ordnetes Instrument gebraucht wird. Und das
zumal wenn nicht sichergestellt ist, dass ein Formularen bestellt. Denn wie machen wir das ist die ePA.“ Die ePA, und zwar die ePA in der
mühsam angelegter NFDM-Datensatz dann ohne? Drucken wir einfach einen A4-Zettel neuen Opt-out-Variante, sei dringend nötig, um
auch von anderen genutzt wird. aus?“ Nicht nur die Bürokratie, auch der Kli- von den effizienztötenden Einzelanwendungen
Wie sieht es mit dem eMP aus? Auch der mawandel lässt grüßen. wegzukommen, so der Kammerpräsident. Eine
existiert eigentlich nicht, jedenfalls nicht so, Aus Sicht der Gesundheitspolitik war die ePA, die der Versorgung nutzt, ist für Boden-
wie er gedacht war. Dem eMP liegt bekanntlich eAU immer (auch) ein Mittel, um die sichere dieck eine umfassende und möglichst breit
der Bundesmedikationsplan (BMP) zugrunde. digitale E-Mail, KIM genannt, in die Fläche zu standardisierte Anwendung, die nicht als wei-
Den findet Bodendieck prinzipiell gut: „Das hat bekommen. Das funktionierte, und es hat einen tere Einzelanwendung neben anderen Anwen-
etwas gedauert, aber etwa drei von vier Pati- Kommunikationskanal für den elektronischen dungen steht, sondern die die gesamte Versor-
enten bei uns haben ihn mittlerweile.“ Aber Arztbrief (eArztbrief) eröffnet. Der eArztbrief gung mit all ihren Teilprozessen integriert.
eben nur praxisintern, und auch nicht wirklich erhält gute Noten von Bodendieck: „Das ist eine Ein Patientenbeleg für eine eAU? Ab in die
digital: „Wir haben das bisher komplett hän- schöne Sache, das muss ich sagen. Wir würden ePA. Notfalldaten? Sind über die Gesundheits-
disch gemacht.“ Ja, Scanner für die Barcodes uns allerdings freuen, wenn das mehr genutzt karte (eGK) zugänglich, aber auch in der ePA
existieren. Die machen aber nur Sinn, wenn alle würde.“ Eine Pflicht, den eÄrztbrief zu nutzen, – keine separat zu gießende, digitale Parzelle
Beteiligten den BMP auch entsprechend nut- gibt es nicht. Ergebnis: Die Wurzener kommu- in einem Kleingarten namens eGK. Das
zen. Und das ist nicht der Fall: „Wenn ich einen nizieren per eArztbrief nur mit „willigen“ Pra- eRezept? Geht an die Apotheke, aber inter-
Patienten ins Herzzentrum schicke, dann xen. Das wichtigste Krankenhaus in der Region agiert auch mit dem Medikationsplan. Der ist
kommt der mit einer Medikationsliste vom schwört auf Papierbriefe. Und auch einige wich- seinerseits kein digitaler Solitär, der von
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