Page 6 - xpress_Ausgabe 17.3
P. 6
Kompakt
IN T ER V IE W PATIENTENZUGRIFF AUF ELEKTRONISCHE PATIENTENAKTEN
Mit Online-Rollout und Projekten zur elektronischen Patientenakte rückt die Frage, wie sich die Datenhoheit des
Patienten digital umsetzen lässt, in den Fokus. Das sächsische Sozialministerium will das Zwei-Schlüssel-Prinzip bei
der elektronischen Gesundheitskarte hinter sich lassen.
ÎÎWarum ist das Zwei-Schlüssel-Prinzip nicht mehr zeitgemäß? ÎÎWo sehen Sie gesetzlichen Änderungsbedarf? MARTIN STRUNDEN Abb.: © SMS SACHSEN
Das Zwei-Schlüssel-Prinzip bedeutet, Arzt und Patient können nur gemein- Im SGB V muss vielleicht nur ein Satz geändert werden. leitet das Referat Ge-
sam Einsicht in Einträge der elektronischen Patientenakte (ePA) nehmen. Viel wichtiger ist, dass jetzt zügig eine Verständigung auf sundheitswirtschaft,
Zeitgemäß kann eine solche Regel nie gewesen sein, weil sie dem Recht auf die Rechtearchitektur erfolgt. Bislang weiß keiner genau, gesundheitliche Prä-
informationelle Selbstbestimmung zuwiderläuft. Dem Patienten gehören die was einmal sein wird. Administrationsrechte sind aber vention und Telema-
medizinischen Daten über seine Person. Er muss ein effektives Datenma- wie die Statik eines Hauses. Wenn man das nicht vor al- tik im Sächsischen
nagement darüber haben – auch ohne Arzt. lem anderen berechnet, fällt nachher alles zusammen. Staatsministerium für
Soziales und Verbrau-
ÎÎWie sollte der Patientenzugriff im Rahmen der Telematikinfrastruktur cherschutz.
konkret umgesetzt werden?
Der Patient muss zum einen allein und ohne ärztliche Pflichtratgeber seine Sachsen bringt sich hier aktiv ein. Staatsministerin Barbara Klepsch hat mit
Daten einsehen können. Zweitens muss der Patient Einsichtsrechte an seinen
Daten vergeben können. Das heißt, er muss bestimmen können, wer was le- der Telemedizin einen Schwerpunkt gesetzt. Dazu gehört auch ein klarer
sen kann. Andernfalls wird die eGK nicht rechtsfest sein. Die oberste Recht-
sprechung ist da eindeutig. Klar wird das, wenn man sich in die Situation ei- Blick auf die Patientenrechte, nicht zuletzt in mobilen eGK-Szenarien.
ner Abtreibung bei Minderjährigen versetzt. Aber Löschen geht nicht: Der Pa-
tient darf selbstverständlich die ärztliche Dokumentationspflicht nicht aus- ÎÎWelche Erfahrungen gibt es bei Projekten in Sachsen?
schalten. Es sollte auch eine Verständigung auf Notfalldaten bestehen, die Viele Macher von Telemedizinprojekten, und auch die meisten Programmie-
unveränderlich sind. Insgesamt gut und beispielhaft geregelt ist das Daten- rer, kennen die Rechtspositionen der Patienten ganz genau und arbeiten ge-
management der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) in Österreich. zielt mit dem Patienten auf Augenhöhe. Die Praxis der Projekte ist oft weiter
als die politische Diskussion. Die Digitalisierung hilft, weiter wegzukommen
von einem manchmal noch paternalistischen Arzt-Patienten-Verhältnis hin zu
einer sprechenden Medizin. Am Ende sollte der Patient aus Überzeugung
und Verständnis den Weg seiner Therapie gehen. Telemedizin ermöglicht
nicht nur mehr Kommunikation, sondern fordert sie auch ein.?<
SPINNENPHOBIE
Igitt, eine Spinne!
Abb.: Promotion Software GmbH vom Bundesministerium für Bildung und For-
THERAPIE: Virtuelle Realität ersetzt das Lebewesen. frontiert wird. Die meisten der Betroffenen schung geförderten Projekt DigiPhobie entsteht
nehmen jedoch keine therapeutische Hilfe in zurzeit ein digitales Therapiesystem, mit dem
Die Angst vor Spinnen ist weit verbreitet. Schät- Anspruch. Entweder fehlen die passenden The- die Patienten die Expositionstherapie in der
zungsweise 3,5 bis 6 Prozent der Deutschen rapieangebote, oder die Patienten möchten sich
leiden an Arachnophobie. Zur Behandlung hat häuslichen Umgebung mithilfe der erweiterten
sich die Expositionstherapie bewährt, bei wel- nicht ihren Ängsten in der Realität stellen. Im
cher der Patient mit einer lebenden Spinne kon- Realität selbst durchführen können. Hierzu
setzt sich der Patient eine Datenbrille auf, in
der die Expositionstherapie abläuft. Die Thera-
pie ist in ein digitales Spiel eingebettet, welches
Spinnen zeigt. Tragbare Sensoren messen die
Vitalparameter während der Therapiesitzung.
Mit diesem Biofeedback werden die physiolo-
gischen Angstreaktionen des Patienten erfasst.
Die Daten zum Therapieverlauf und zum Pati-
entenverhalten werden zentral in einer Thera-
piemanagement-Software erfasst und dem
Therapeuten zur Verfügung gestellt. Die Wirk-
samkeit dieser digitalen Therapie soll in einer
klinischen Studie durch vergleichende Unter-
suchungen mit der klassischen Expositionsthe-
rapie sowie durch MRT-Messungen an den Pa-
tienten evaluiert werden.?< C IBMT.FRAUNHOFER.DE
06 x.press 17.3