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Thema




        INTERVIEW         FORSCHUNG LOHNT SICH!

          Dr. Florian Wolf, Facharzt für Allgemeinmedizin in einem Medizinischen Versorgungszentrum in Jena und wissenschaftlicher
          Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums, koordiniert das Forschungsnetz REsPonSe.
          Im Interview erklärt er, warum die Forschung in Hausarztpraxen gestärkt werden muss.



          Î 	Herr Dr. Wolf, Sie koordinieren zum einen das Forschungspraxennetz   sung, um herauszufinden, wo die hohen Entzün-  DR. FLORIAN WOLF   Abb.: UKJ / Schroll
                                                                                                 Der Allgemeinmediziner
          REsPonSe, zum anderen forschen Sie als Hausarzt in einem MVZ. Warum   dungswerte herkommen. Die Kolleginnen und Kol-  koordiniert das For-
          ist Ihnen Forschung wichtig?                       legen haben auch berichtet, dass ein Test die   schungsnetz REsPonSe
          Wir brauchen mehr hausärztliche Forschung, um Evidenz für unser tägliches  Arzt-Patienten-Kommunikation unterstützt – etwa
          Handeln zu generieren und die Versorgung der Patientinnen und Patienten   wenn eine Patientin oder ein Patient auf einem Antibiotikum beharrt. Zeigt
          zu verbessern. Außerdem ist die Forschung ein guter Ausgleich zu meiner   der Test schwarz auf weiß, dass die Infektion wahrscheinlich viral und nicht
          klinischen Arbeit – es macht mir einfach Spaß, zur Mehrung des Wissens   bakteriell bedingt ist, ist das überzeugend. Alles in allem trägt der Test dazu
          beizutragen, das ganz spezifisch in Hausarztpraxen benötigt wird.   bei, Antibiotika einzusparen und sie gezielter einzusetzen. Außerdem sind
                                                             solche Schnelltests wesentlich unkomplizierter als eine venöse Blutuntersu-
          Î 	Welchen Fragestellungen gehen Sie im REsPonSe-Forschungspraxen-  chung, auf deren Ergebnis man zumeist einen Tag warten muss. Manche der
          netz nach?                                         teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte wenden diese Tests jetzt grundsätzlich
          Wir beschäftigen uns mit hausärztlich relevanten Themen, die von den teil-  in ihrer Praxis an – obwohl sie im Einkauf teurer sind, als sie im EBM vergü-
          nehmenden Praxen aktiv mitentwickelt werden. Wir haben beispielsweise   tet werden.
          untersucht, ob ein Schnelltest auf den Entzündungsmarker CRP im Praxis-
          alltag gut anwendbar ist und den Praxen einen Mehrwert bringt. Der Test   Î 	Ist das auch ein Grund, an Studien teilzunehmen? Um Argumente für
          funktioniert wie ein Blutzuckertest und zeigt innerhalb weniger Minuten   Verhandlungen mit dem Kostenträger zu sammeln?
          an, ob eine Entzündungsreaktion im Körper abläuft und wie schwerwiegend  Auch. Aber an vorderster Stelle stehen versorgungsrelevante hausärztliche
          diese ist. Für die Studie haben wir jeweils 50 Schnelltests an die teilnehmen-  Fragestellungen. Das gilt sowohl für die Projekte, die wir im Rahmen des
          den Praxen versendet, die dann bei jeder Testdurchführung einen einseiti-  Forschungspraxennetzes durchführen, als auch für Fragen, die in der Haus-
          gen Fragebogen ausgefüllt haben. Wir haben 1 700 Fragebögen zurückbe-  arztpraxis auf der Mikroebene entstehen: Oft geht es dabei darum, wie Ab-
          kommen.                                            läufe effizienter gestaltet oder die erbrachten Leistungen besser abgerech-
                                                             net werden können. Es gibt aber auch einige Kolleginnen und Kollegen, die
          Î 	Wie viele Praxen haben teilgenommen?            sich fragen: Ist das, was ich tue, leitliniengerecht? Gibt es sinnvollere Maß-
          Wir hatten etwa 400 Praxen angeschrieben, 49 haben mitgemacht.  nahmen als die, die ich empfehle? Welche Tätigkeiten kann ich delegieren?
                                                             Wie werden Veränderungen akzeptiert? Und unter diesen Hausärztinnen
          Î 	Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung?      und Hausärzten gibt es auch einige wenige, die das ganz systematisch un-
          Nun, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sehen ihre Kernaufgabe eher in   tersuchen wollen, um – ich wiederhole mich – ihre Patientinnen und Patien-
          der Patientenversorgung als in der Forschung. Außerdem wird der zusätzli-  ten besser versorgen zu können.
          che Aufwand, der mit einem Forschungsprojekt einhergeht, selten angemes-
          sen vergütet. In unserer Studie haben wir die Schnelltests kostenlos zur Ver-  Î 	Werden Ärztinnen und Ärzte von den medizinischen Fachangestellten
          fügung gestellt und je nach rückgesendeten Fragebögen eine kleine Auf-  unterstützt?
          wandsentschädigung gezahlt. Mit den 49 teilnehmenden Praxen waren wir   Grundsätzlich funktioniert Forschung am besten im Team. Doch es kommt
          schon sehr zufrieden. Das ist für unsere Verhältnisse eine gute Teilnahme-  auf die konkrete Fragestellung an. Geht es darum, Fragebögen auszufüllen
          quote.                                             oder Daten zu übermitteln, kann das häufig die MFA am Tresen überneh-
                                                             men. Geht es um eine Interventionsstudie, bei der ein neues Medikament
          Î 	Lohnt es sich trotzdem, in der Hausarztpraxis zu forschen?  getestet wird, sehe ich die Aufklärungs- und Auswertungspflicht jedoch
          Auf jeden Fall! Nur so bekommen wir Antworten auf Fragen, die in der   beim Arzt oder bei der Ärztin.
          hochspezialisierten Universitätsklinik – wo Forschung an der Tagesordnung
          ist – eine untergeordnete Rolle spielen, für unsere Arbeit aber wesentlich   Î 	Können sich die Praxen innerhalb des Forschungsnetzes zu den
          sind.                                              Ergebnissen austauschen?
                                                             Das ist das Ziel. Momentan setzen uns die eingeschränkte Interoperabilität
          Î 	Welches Ergebnis hat die Studie denn gebracht? Haben die CRP-Schnell-  der Praxissoftware-Systeme und die mangelnde Standardisierung der Da-
          tests einen Mehrwert?                              ten allerdings noch ganz klare Grenzen. Aber wir arbeiten daran. Und ich
          Wir sind gerade noch in der Auswertung. Es lässt sich aber bereits feststel-  bin überzeugt, dass es uns in Zukunft gelingen wird, Daten nicht nur zu Ab-
          len, dass in etwa 50 Prozent der Fälle das Testergebnis von der ursprüngli-  rechnungszwecken sicher von A nach B zu senden. Und dann werden noch
          chen Einschätzung der Ärztinnen und Ärzte abweicht. Dann sind zusätzliche   wesentlich mehr Praxen einen Mehrwert darin sehen, Forschung zu betrei-
          Untersuchungen erforderlich, manchmal sogar eine Krankenhauseinwei-  ben.<




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