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Titelgeschichte
zusätzlich eine Reihe von individuellen Ein- Entscheidungsfindung unterstützen. Auch Elsevier schnürt deshalb für jede Medizin-
stellungen unter „Meine eRef“ vornehmen, De Gruyter legt großen Wert auf die Suchfunk- welt ein Paket bestehend aus fünf bis sechs
beispielsweise die Suche auf seine Lieblings- tion. „Der Arzt soll nach Möglichkeit zu jedem relevanten Standardwerken des betreffenden
zeitschrift begrenzen oder Lieblingsinhalte Terminus nur ein Ergebnis erhalten“, erläutert Fachbereichs sowie Loseblattwerken. Die kur-
wie eine Playlist speichern. Meinert die Philosophie von De Gruyter. Ziel ze schnelle Antwort liefert ein Praxis- oder
Die digitalen Geschäftsmodelle sind noch ist, dem Arzt im Patientengespräch oder bei Klinikleitfaden, für die mittellange Antwort
vergleichsweise neu, und so versucht jeder der Vor- und Nachbereitung eine punktgenaue werden Standardlehrwerke verwendet. Für
Verlag, sich mit einem eigenen Konzept von Information zukommen zu lassen anstelle einer die lange Antwort kommen ergänzend die
der Konkurrenz abzugrenzen. De Gruyter zum Trefferliste mit wissenschaftlichen Literatur- Loseblattwerke zum Einsatz, die die Leitlini-
Beispiel schlägt einen ganz anderen Weg als daten, wie sie eine herkömmliche Datenbank- en der einzelnen medizinischen Fachgesell-
Thieme ein. Der Berliner Verlag nutzt als Da- recherche liefern würde. Wer tiefergehende schaften „in besser verdaulicher Form“
tenbasis für die Onlinerecherche nicht das Informationen benötigt, kann den Suchtreffer enthalten.
komplette Verlagsangebot, das ebenfalls voll- Die unterschiedlichen, noch vergleichswei-
ständig digital vorliegt, sondern den se neuen digitalen Wissensangebote für Me-
„Pschyrembel“. Die Onlineversion des klini- Die digitalen diziner stehen erst am Anfang der Entwick-
Wissensangebote
schen Wörterbuchs, das seit 125 Jahren verlegt lung. Wohin die Reise geht, ist deshalb zurzeit
wird, ist mit rund 60 000 Artikeln erheblich völlig offen. Noch werden die meisten Bücher
für Mediziner
umfangreicher als die gedruckte Ausgabe, die und Zeitschriften sowohl in gedruckter Form
im vergangenen Jahr neu aufgelegt wurde. „Der stehen noch am Anfang. als auch digital angeboten. Üblicherweise er-
Online-Pschyrembel setzt einen ganz anderen zeugen die Verlage bei der Produktion eines
Schwerpunkt und geht weit über das Lexikali- Buches oder einer Zeitschrift eine Vorlage im
sche hinaus, das im Buch abgebildet wird“, medienneutralen Datenformat Volltext-XML.
erklärt Dr. Till Meinert, Vice President als Ausgangspunkt verwenden, um sich über Dort ist der komplette Text mitsamt den mul-
Professionals bei De Gruyter. Hyperlinks von einem Artikel zum nächsten timedialen Inhalten – zum Beispiel Bilder,
Zum Online-Pschyrembel kann der Arzt zu hangeln. Videos oder Animationen – enthalten. Diese
zudem den „Herold“, ein renommiertes Lehr- Auch das Verlagshaus Elsevier hat einen XML-Struktur wird angereichert durch Meta-
buch der Inneren Medizin, hinzubuchen. Die eigenen Ansatz. Seit rund zwei Jahren bietet daten und Strukturdaten, die beispielsweise
Kombination beider Werke will den Arzt mit der Verlag die „Medizinwelten“ an – für zurzeit Angaben zur Kapitelstruktur, zu Seitenumbrü-
kompakten und zugleich praxisnahen klini- zwölf verschiedene Fachbereiche. Anstelle ei- chen, Zeichenformatierungen oder auch zur
schen Inhalten versorgen und ihn so bei der nes Suchtreffers als Sprungbrett, um tiefer in Platzierung von Bildern enthalten. Aus diesem
die Materie einzutauchen, lässt sich die Filter- Volltext-XML können die Verlage alle Produk-
funktion der Onlinesuche so einstellen, dass te erzeugen, vom gedruckten Buch über die
als Ergebnis wahlweise eine kurze Antwort – verschiedenen E-Books für die gängigen
als Handlungsanweisung – oder je nach An- Tablets und E-Book-Reader (Formate EPUB und
wendungsfall eine mittellange bis lange Ant- MOBI) bis zur Onlineplattform (Format
wort angezeigt wird. „Der Arzt soll das Wissen HTML). So entsteht die große Bandbreite, die
abrufen können, das er gerade benötigt“, er- die Verlage im Moment anbieten können.
läutert Geschäftsführer Patrick Scheidt. Des-
Abb.: iStockphoto.com © adventtr halb verwendet Elsevier für die Onlinesuche Rolle der Referenz bei der Erstellung elektro-
Digitale Vorlagen lösen die analogen ab
weder ein allgemeines Standardwerk noch das Weil sich das digitale Buch aus dem analogen
gesamte fachspezifische Verlagsprogramm. entwickelt hat, fiel dem gedruckten Werk die
„Dies würde das Produkt unnötig teuer ma-
nischer Bücher zu. Bei Springer Nature wird
chen“, so Scheidt.
sich diese Vorgehensweise vermutlich in die-
sem Jahr umkehren. Dann wird das gedruckte
INFO VERDOPPELUNG DES MEDIZINISCHEN WISSENS Werk erstmals die Kopie des elektronischen
Referenzwerks sein. „Wir befinden uns in der
Phase, in der das führende Format wechselt“,
Schätzungen zufolge verdoppelte sich das medizinische Wissen im Jahr 1950 innerhalb von 50 Jah- stellt Thomas von Springer Nature fest. „Dies
ren. Im Jahr 1980 lag dieser Wert bei 7 Jahren und 2010 bei 3,5 Jahren. Im Jahr 2020 soll sich das hat aber Signalwirkung auf die weitere Ent-
gesamte medizinische Wissen der Welt in nur 0,2 Jahren – rund 73 Tagen – verdoppeln. Ein Medi-
wicklung des Buchs in allen seinen Ausprä-
zinstudent, der sein Studium im Herbst 2010 aufnahm, erlebt drei Verdoppelungen des medizini-
gungen.“ Alle Bücher werden als Onlinemedi-
schen Wissens bis zu seinem Examen. Was er in den ersten drei Jahren seines Studiums gelernt
um konzipiert. Das gedruckte Buch ist dann
hat, macht nur 6 Prozent des Wissens aus, das zwischen 2010 und 2020 bekannt sein wird.<
eines von vielen Medien, das daraus hervor-
Quelle: Densen, Peter: Challenges and Opportunities Facing Medical Education. Transactions of the American Clinical and Climatological Association
2011, Vol. 122, Seite 48 ff. geht. Auch bei De Gruyter gilt das Prinzip
„Online First“.
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