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Titelgeschichte




        Gesundheitsregionen sollen attraktiver, die  stelle für medizinische Register vor sowie ge-  Ministerien. Es könnte also sein, dass GKV, KBV
        Spielräume für regionale Versorgungsverträge  setzliche Neuregelungen, die Registern unter  und Co aus dem Gesellschafterkreis ausschei-
        größer werden. „Wir sollten es vermeiden,  anderem bei Patienteneinwilligungen das Le-  den. Bisher Spekulation. Selbst Insider wie Jörg
        Strukturen zu schaffen, die alles noch kompli-  ben leichter machen. Im BMG würden diese  Debatin, vier Jahre lang Chef des jetzt aufge-
        zierter machen“, so Wambach. Kapitalgesell-  Vorschläge positiv bewertet, sagte Markus  lösten „health innovation hub“, der für Jens
        schaften sieht er genauso kritisch wie MVZs in  Algermissen, Leiter der Unterabteilung 31. Re-  Spahn viel Konzeptions- und Kommunikati-
        kommunaler Trägerschaft. Entscheidend aus  gistergesetz und Gesundheitsdatennutzungs-  onsarbeit in Sachen digitales Gesundheitswe-
        Sicht regionaler Versorgungsnetze sei es, klar  gesetz, sie werden kommen. Doch auch Alger-  sen geleistet hatte, zuckt beim Stichwort Bun-
        zu definieren, wo die Probleme liegen, und dort  missen trat dann erst mal auf die Bremse: „Das  desagentur mit den Schultern. Enttäuscht ist
        dann zu handeln: „Netze brauchen bessere,  wird nicht gleich Anfang 2022 passieren.“  Debatin, dass es eines seiner Kernanliegen
        kleinräumigere Daten, und das scheitert im Mo-                         nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat,
        ment häufiger mal am Datenschutz. Da wird es                           ein „Praxiszukunftsgesetz“, das – in Analogie
        schon auf Postleitzahlebene manchmal schwie-  Die Chancen stehen gut,   zum Krankenhauszukunftsgesetz der Vorgän-
                                                dass die ePA-Nutzung
        rig, weil die Datenschützer dann sagen, es könn-                       gerregierung – für Anreize zu IT-Updates in
        ten einzelne Personen identifiziert werden.“                           den Arztpraxen sorgen würde: „Ich glaube, wir
                                              durch die Opt-out-Lösung
           Der letzte Punkt ist nicht nur deswegen in-                         werden feststellen, dass wir ein solches Gesetz
        teressant, weil er mit Digitalisierung zu tun   künftig deutlich       brauchen“, so Debatin. Und augenzwinkernd
        hat, sondern vor allem auch, weil zwei künfti-                         fügt er hinzu: „Das Krankenhauszukunftsge-
                                                    zunehmen wird.
        ge „Ampel-Gesetze“, die im Gesundheitskapitel                          setz stand auch nicht im letzten Koalitionsver-
        des Koalitionsvertrags explizit erwähnt wer-                           trag.“
        den, sich der Themen Gesundheitsdaten, Ver-                               Trotzdem erscheint Debatins anhaltendes
        sorgungsforschung und Qualitätsmanagement   Von den Gesundheitsdaten zu weiteren Di-  Hoffen auf ein großes IT-Investitionspro-
        annehmen sollen, nämlich ein „Gesundheits-  gitalisierungsthemen. Ein kleiner Pauken-  gramm für ambulante medizinische Einrich-
        datennutzungsgesetz“ und ein „Registerge-  schlag ist der Plan, bei der elektronischen Pa-  tungen vielen zu optimistisch. Das liegt vor
        setz“. In diesem Zusammenhang wird auch der  tientenakte (ePA) von dem bisherigen Opt-in-  allem daran, dass die finanziellen Rahmenbe-
        Aufbau einer „dezentralen Forschungsdaten-  Modell auf ein Opt-out-Modell nach dem Vorbild  dingungen, unter denen Bundesregierung und
        infrastruktur“ erwähnt.             Österreichs umzuschalten. Heißt konkret: Bei  gesetzliche Krankenversicherung in den nächs-
                                            GKV-Versicherten soll künftig automatisch eine  ten Jahren werden agieren müssen, deutlich
        Versorgungs- und Registerforschung  ePA angelegt werden, ohne dass die Versicher-  ungünstiger sind. Gab es in Zeiten der Großen
        Wer sich mit dem Thema Versorgungsfor-  ten dazu aktiv werden müssen. Wer das nicht  Koalition satte Überschüsse im Gesundheits-
        schung schon etwas beschäftigt hat, der er-  will, der meldet sich aktiv ab. In Österreich und  fonds, so sieht die Lage jetzt anders aus. Zum
        kennt in den Formulierungen einige Vorarbei-  anderen Ländern mit Opt-out passiert dieses  einen, weil die Politik in der Pandemie der GKV
        ten der letzten Regierungen. Die dezentrale  Abmelden nur sehr selten. Die Chancen stehen  an die Reserven gegangen ist, vor allem aber,
        Forschungsinfrastruktur ist in der Medizinin-  also gut, dass die ePA-Nutzung durch diesen  weil der demografische Wandel immer mehr
        formatik-Initiative des Bundesforschungsmi-  Ampel-Plan künftig deutlich zunehmen wird.  zuschlägt: Das Zahlenverhältnis von Einzah-
        nisteriums angelegt, die seit 2016 läuft. Sie  Wie dieses automatische Anlegen der ePA je-  lenden zu Leistungsempfängern wird in den
        hatte es nicht geschafft, mit Beginn der Pande-  doch unter den aktuellen technischen Gege-  nächsten Jahren kontinuierlich schlechter.
        mie eine funktionierende digitale „Datenauto-  benheiten praktisch funktionieren soll, ist noch   Um die GKV-Finanzierung aus dem Wahl-
        bahn“ zur Verfügung zu stellen – auch deswe-  vollends offen.          kampf herauszuhalten, hatte die Große Koali-
        gen, weil die Arbeit mit Gesundheitsdaten in                           tion schon Ende Mai vereinbart, den Bundes-
                                            „Dynamische“ Finanzierung
        Deutschland extrem reguliert ist und unter                             zuschuss zum Gesundheitsfonds, der jahrelang
        dem Föderalismus stark leidet. In Sachen Re-  Auch beim eRezept setzt der Koalitionsvertrag  bei den gesetzlich fixierten 14,5 Milliarden lag
        gisterforschung kann die neue Bundesregie-  auf Beschleunigung. Dass Lauterbach das  und der im Jahr 2020 bereits 18 und 2021 19,5
        rung auf ein aktuell vorgelegtes Registergut-    eRezept de facto erst einmal entschleunigt hat,  Milliarden Euro erreichte, ab 2022 auf 21,5
        achten zurückgreifen, das Jens Spahn bei der  wurde bereits erwähnt. Die Umsetzung der  Milliarden Euro zu erhöhen. Der 2022er-Zu-
        TMF (Technologie- und Methodenplattform  diversen, noch von Jens Spahn angestoßenen  schuss wurde dann im Herbst 2021 nochmals
        für die vernetzte medizinische Forschung) und  Digitalisierungsprojekte in der praktischen,  auf dann 28,5 Milliarden Euro erhöht – bei ei-
        dem BQS Institut für Qualität & Patientensi-  insbesondere ambulanten Versorgung dürfte  nem festgeschriebenen, durchschnittlichen
        cherheit in Auftrag gegeben hatte.   ohnehin ein Großprojekt der nächsten Jahre  Zusatzbeitrag von 1,3 Prozent, was etwa 20,5
           Immerhin über 350 medizinische Register  werden, dazu braucht es den Koalitionsvertrag  Milliarden Euro entspricht.
        haben die Gutachter in Deutschland gefunden.  nicht.                      Das alles gilt nur für 2022. Dass es danach
        Empfohlen wird der Ampelkoalition seitens   Die gematik, da legen sich die Koalitionäre  nicht besser aussehen wird, ist bereits abseh-
        der Experten die Etablierung eines Reifegrad-  fest, wird mächtiger. Sie soll zu einer „Bundes-  bar. Der Koalitionsvertrag widmet sich des-
        modells, um die Qualität der Register zu mes-  agentur“ ausgebaut werden – was auch immer  wegen explizit dem Thema Finanzierung. Die
        sen und vergleichbar zu machen. Das Gutachten  das heißen mag. Typische Bundesagenturen  Rede ist von einer nicht näher spezifizierten
        schlägt außerdem den Aufbau einer Zentral-  sind meist 100-Prozent-Töchter der jeweiligen  „Dynamisierung“ des Bundeszuschusses.

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