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DAS TEAM: Professor Schäfer und seine Mitarbeiter sind für viele schwer kranke Patienten oft die letzte Hoffnung.
LABORARBEIT: Untersuchung am Mikroskop
Ansturm von Patienten eng zusammenarbeiten. Auch der Einsatz mo-
Mit der Gründung des ZusE 2013 kann der Me- derner Computertechnik spielt bei der Diagno-
diziner mit voller Kraft seiner Leidenschaft sefindung eine Rolle. Schäfer weiß die Vorteile
nachgehen, die seltenen Krankheiten zu erfor- sehr zu schätzen: „Allein die Tatsache, dass wir
schen und vor allem Patienten, die oft eine jah- heute Zugang zu vielen internationalen Daten-
relange Odyssee durch das Gesundheitssystem banken haben, erleichtert unsere Arbeit
hinter sich haben, zu helfen. „Für viele sind wir enorm.“ Der Diagnostiker erhofft sich auch von
die letzte Hoffnung. Ich würde lügen, würde ich den Daten der elektronischen Patientenakten
sagen, dass mich und mein Team diese Erwar- wertvolle Informationen. Zukunftsszenarien,
tung nicht belastet. Wir sind ja keine besseren in denen beispielsweise Algorithmen die Daten
Ä� rzte als all die Kollegen, die sich vor uns be- seiner Patienten scannen könnten, um Auffäl-
reits die Zähne ausgebissen haben, und wir ligkeiten zu erkennen, beobachtet er mit gro-
können bei Weitem nicht jedem helfen. Damit ßem Interesse und arbeitet bei diesem Thema
muss man umgehen lernen“, so der Kardiologe. mit dem renommierten Marburger Experten
Weil der Ansturm der Patientenanfragen für künstliche Intelligenz, Professor Dr. Martin
bald nicht mehr zu bewältigen war, nehmen Hirsch, zusammen. „Die computerunterstütz-
Schäfer und sein Team inzwischen fast nur te Diagnosefindung wird uns bestimmt bald BESPRECHUNG: Kommunikation führt zum Ziel.
noch Anfragen von Kollegen an, die allein nicht eine große Hilfe zur Äufklärung unklarer Dia-
mehr weiterkommen. Landet eine Patienten- gnosen sein“, ist sich Schäfer sicher. schnell nicht loslassen, oder die Frustration,
akte auf ihrem Tisch, beginnt die Detektivar- Seine Neugier und die Freude an seiner Ar- wenn er Patienten nicht helfen kann.
beit: Häufig dauert es mehrere Tage, bis alle beit, die ihm nur wenig Zeit für Freizeit lassen, Seine Leidenschaft für den Beruf hat der
wichtigen Informationen aus oft mehrere hun- hat der Mediziner nie verloren. Er gibt zu, dass Vater zweier Kinder an seine Tochter weiterge-
dert Seiten umfassenden Unterlagen heraus- ihn die Detektivarbeit an seinem Beruf beson- geben, die Humanmedizin studiert. Sein Sohn
gesucht worden sind. Manchmal entscheidet ders reizt. Dann ist da noch die Freude, wenn will lieber andere berufliche Wege gehen. Äuch
ein einzelner Laborwert über Erfolg oder Miss- er einem Patienten nach jahrelangem Leiden das kann Schäfer gut verstehen. „Arzt zu sein,
erfolg bei der Diagnosefindung. Ein interdiszi- endlich eine Diagnose und eine passende The- ist weniger ein Beruf als eine Berufung. Das
plinäres Team bespricht die Fälle und tauscht rapie in Aussicht stellen kann. Das entschädigt muss man auch wirklich wollen.“ Für ihn war
Ideen und Vermutungen aus. „Genau diese Art ihn für einige unruhige Nächte, Fälle, die ihn es jedenfalls genau das Richtige.< $ MIRIAM MIRZA
des Austausches ist unsere Stärke. Wir können
die erfahrensten Fachärzte aus den unter-
INFO
schiedlichsten Disziplinen der Universitätskli- SELTENE ERKRANKUNGEN
nik Marburg anfragen, die dann zu den gemein-
samen Besprechungen kommen und uns im HILFE. Ärzte, aber auch Betroffene, finden mit dem SE-Atlas heimatnahe Zentren für seltene
Team weiterhelfen“, berichtet Schäfer. Erkrankungen. Zudem engagiert sich die Selbsthilfeorganisation ACHSE e.V. für die Belange von
Menschen mit seltenen Erkrankungen. Professor Schäfer hat darüber hinaus die wissenschaftliche
Unterstützung durch künstliche Intelligenz Leitung für den Podcast „Diagnose Selten“ übernommen, der sich an Mediziner, Studierende und
An das Zentrum angeschlossen ist außerdem interessierte Laien wendet.< C SE-ATLAS.DE C ACHSE-ONLINE.DE C DIAGNOSE-SELTEN.PODIGEE.IO
ein ZusE-eigenes Labor, mit dem die Mediziner
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