Page 18 - xpress_Ausgabe 21.2
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Porträt




                                                                               legen zum Telemedizinarzt oder bespricht sich
                                                                               mit Kollegen aus seinem Beratungsunterneh-
                                                                               men. Dabei nutzt er die Vorzüge der Telemedi-
                                                                               zin: „Die Telemedizin löst in Afrika das Problem
                                                                               eines fehlenden Zugangs zum Arzt. Das ersetzt
                                                                               den Arztbesuch nicht, aber wenn Patienten
                                                                               Vertrauen in die Online-Beratung gefasst ha-
                                                                               ben, können viele Fragen auf diesem Weg ge-
                                                                               klärt werden.“ Er betont: „Es ist auch keines-
                                                                               falls eine minderwertigere Medizin.“
                                                                                 Finkbeiner ist gerne Arzt. In seinem Selbst-
                                                                               verständnis sei er trotz seiner vielen anderen
                                                                               Tätigkeiten immer Mediziner, so der Kinder-
                                                                               arzt. Der Wunsch, Mediziner zu werden, ent-
                                                                               steht nach dem Abitur, als er seinen Zivildienst
                                                                               beim Roten Kreuz im Rettungsdienst ableistet.
                                                                             Alle Abb.: Dr. Thomas Finkbeiner     platz, schließt das Studium ab und arbeitet
                                                                               Finkbeiner erhält in Tübingen einen Studien-

                                                                               weitere zehn Jahre an der Universität. In dieser
                                                                               Zeit absolviert er die Facharztausbildung zum

                                                                               ohne Grenzen im Einsatz. „Ich hatte deswegen
         DR. THOMAS FINKBEINER                                                 Kinderarzt und ist immer wieder für Ärzte
                                                                               an der Universität eine Teilzeitstelle. Das war
                                                                               damals noch recht neu“, erinnert sich der Me-
                                                                               diziner.
                                                                               Versorgung großer Menschenmengen

                                                                               Der erste Einsatz für Ärzte ohne Grenzen ist
                                                                               1994 in Tansania. Zu dieser Zeit gibt es den
                                                                               Genozid in Ruanda, der einen großen Flücht-
                                                                               lingsstrom, auch nach Tansania, auslöst. Der
                                                                               junge Arzt kommt mehr oder weniger frisch
        auf dem afrikanischen Kontinent gearbeitet.  Der                       ganz speziellen Art der Medizin konfrontiert.
                                                                               von der Universität und sieht sich mit einer
            r. Thomas Finkbeiner ist Epidemiologe,
            Gesundheitsökonom und Kinderarzt. Er
        zeitig ist er praktizierender Kinderarzt und  Multiprofessionelle
       Dhat viele Jahre für Ärzte ohne Grenzen                                 Es ist sein erster Berührungspunkt mit der
        Heute hat er eine Beraterfirma mit Sitz in Tü-
        bingen und berät Regierungen, die Weltbank
        oder die Bill & Melinda Gates Stiftung. Gleich-
        gibt via telemedizinischer Sprechstunden me-
                                              Ein Kinderarzt, der für „Ärzte
        dizinischen Rat an Patienten und Ärzte in
                                              ohne Grenzen“ in Afrika gear-
        Tansania.                                                              internationalen humanitären Hilfe – und es
          Der in Trossingen, Schwarzwald, und in   beitet, in den USA Epidemiologie   sollte sein restliches berufliches Leben stark
                                              und Gesundheitsökonomie stu-
        Tuttlingen aufgewachsene Mediziner ist erst                            beeinflussen. Finkbeiner erinnert sich, wie
                                              diert und in Deutschland ein
        seit zwei Jahren wieder in Deutschland. Zuvor                          beeindruckt er von der Effizienz und den de-
                                              Beratungsunternehmen aufge-
        hatte der Vater von zwei Kindern lange Zeit in                         taillierten Planungen war, die notwendig sind,
        Tansania gelebt. „Unsere Kinder sind nun                               um solche Hilfsaktionen durchzuführen. „Hier
                                              baut hat: Dr. Thomas Finkbeiner
        schulpflichtig und sollen hier in Deutschland                          stützte sich die Arbeit nicht nur auf die Arzt-Pa-
                                              hat seit seinem Medizinstudium
        zur Schule gehen“, erklärt der 54-Jährige. Der                         tienten-Beziehung, sondern auch auf eine be-
                                              viel von der Welt gesehen,
        viel gereiste Mediziner ist zu seinen Wurzeln                          völkerungsbasierte Medizin, bei der sehr viele
                                              vielen Menschen in anderen
        zurückgekehrt und hat sich in Tübingen nie-                            Menschen in sehr kurzer Zeit behandelt wer-
                                              Ländern geholfen und denkt
        dergelassen. „In Tübingen kann man toll auf-                           den. Das war eine prägende Erfahrung“, sagt
                                              noch lange nicht ans Aufhören.
        wachsen“, sagt er und lacht.                                           er. Grundvoraussetzungen waren eine gute
          Den Kontakt nach Afrika hält er weiterhin.                           Logistik, aber auch das Hinzuziehen von – da-
        Er beteiligt sich an der Ausbildung junger Kol-                        mals noch händisch gesammelten – Daten.
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