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Thema
INTERVIEW „EIN SINNVOLLES INSTRUMENT“
Das Notfalldatenmanagement soll im nächsten Jahr eingeführt werden. KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel äußert sich
zum Stand der Vorbereitungen und erläutert, warum die KBV den Notfalldatensatz unterstützt.
Î ÎHelfen die geplanten Notfalldaten dem Arzt wirklich in einer Notfall- Î ÎWird die Nachfrage nach dem NFDM anfangs so Abb.: KBV
situation? groß sein, dass die Praxen überfordert werden? DR. THOMAS KRIEDEL
ist Vorstandsmitglied
Wir wissen von Gesprächen mit vielen Notärzten, dass sie im Einsatz keine Wir können das Interesse schlecht einschätzen, da wir der Kassenärztlichen
Zeit haben, um nach einer Gesundheitskarte zu suchen und Daten auszule- nicht wissen, ob die Krankenkassen bei ihren Mitglie- Bundesvereinigung.
sen. Der Notfalldatensatz ist eher für eine dringliche Behandlung gedacht dern für das NFDM werben oder wie stark die Medien
und weniger für eine Notfallsituation. Wir halten den Notfalldatensatz für darüber berichten. Das NFDM kommt aber nur für eine eingeschränkte Pati-
ein sinnvolles Instrument, das dann zum Einsatz kommt, wenn beispielsweise entengruppe infrage. Im Bundesmantelvertrag haben wir nicht nur festge-
ein Patient mit gesundheitlichen Risikofaktoren kurzfristig einen Arzt aufsu- legt, dass der Versicherte den Wunsch nach Erstellung des Notfalldatensat-
chen muss, der ihn noch nicht behandelt hat. zes gegenüber seinem Arzt äußern muss, sondern auch, dass das Notfallda-
tenmanagement aus Sicht des Arztes medizinisch gerechtfertigt sein muss.
Î ÎDas Notfalldatenmanagement (NFDM) soll im nächsten Jahr starten. Für das NFDM kommen deshalb in erster Linie zumeist ältere Patienten in-
Ist dieser Termin angesichts der Corona-Krise zu halten? frage, die einer Risikogruppe angehören. Im Übrigen gehen wir davon aus,
Die gematik arbeitet mit Hochdruck daran, dass der E-Health-Konnektor dass die Zahl der Ausstellungen langsam nach oben gefahren wird, weil die
fristgerecht zur Verfügung steht. Hierbei handelt es sich um ein Softwareup- Ärzte zu Beginn noch keine Erfahrung mit dem Nutzen des Notfalldatenma-
date für die Konnektoren in den Arztpraxen, welches für das NFDM benötigt nagements haben.
wird. Wir als KBV legen Wert darauf, dass dieses Update vor dem Rollout in
mehreren Feldtests erprobt wird, die in diesem Jahr stattfinden werden. Für Î ÎWie viel Zeit benötigt ein Arzt zum Erstellen eines Notfalldatensatzes?
viele Arztpraxen, die an den Tests teilnehmen, stellt die Corona-Krise eine Da das Notfalldatenmanagement noch nicht im Feldtest erprobt wurde, lie-
zusätzliche Belastung dar. Wir wissen, dass in der gematik Beschlüsse ge- gen uns keine realen Erfahrungswerte vor. Wir gehen aber davon aus, dass
fasst werden sollen, um die Feldtests beschleunigt durchzuführen, damit es der Arzt die Notfalldaten eines Patienten nicht suchen und manuell eintra-
nicht zu Verzögerungen kommt. gen muss, sondern dass die Praxissoftware den Notfalldatensatz automatisch
Neben den Konnektorherstellern müssen außerdem alle Anbieter von aus den vorhandenen Einträgen generiert.
Praxissoftware, es handelt sich um eine dreistellige Zahl, rechtzeitig ein
NFDM-Update zur Verfügung stellen. Denn wir benötigen einen gewissen Î ÎDann ist das Arzt-Patienten-Gespräch der zeitaufwendige Teil der
Vorlauf für die Einführung des NFDM. Voraussetzung für die Einführung des Notfalldatenerstellung?
NFDM ist der Heilberufsausweis in den Praxen. Der Zeitplan ist insgesamt Genau. Deshalb empfehlen wir den Ärzten, den Notfalldatensatz im Rahmen
sportlich. einer Behandlung anzulegen.<
beschrieben. Der Arzt kann aber auch proaktiv Das Erstellen eines Notfalldatensatzes soll- digkeit prüfen. Dabei kann es vorkommen, dass
auf seine Patienten zugehen und sie auf den te nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Idealer- ein Patient aus persönlichen Gründen be-
Notfalldatensatz hinweisen. weise extrahiert die Praxissoftware alle rele- stimmte Angaben, beispielsweise zu einer psy-
Theoretisch darf jeder Arzt oder Zahnarzt vanten Notfalldaten automatisch aus der Pati- chiatrischen Erkrankung, nicht speichern
einen Notfalldatensatz erstellen. Sinnvoller- entenakte. Der Arzt muss dann nur noch den möchte. Falls der Arzt der Ansicht ist, dass ein
weise sollte diese Arbeit derjenige Arzt vor- generierten Notfalldatensatz mit seinem HBA unvollständiger Notfalldatensatz den Patien-
nehmen, der über die meisten Informationen signieren und auf der Gesundheitskarte spei- ten gefährden würde, darf er das Anlegen oder
zu einem Patienten verfügt – üblicherweise chern. Diese Datenspeicherung kann er an ei- die Aktualisierung verweigern.
der Hausarzt. Da es sich beim Anlegen des nen Praxismitarbeiter delegieren, der dies auch Außer den Notfalldaten kann der Arzt den
Notfalldatensatzes um die Verarbeitung von außerhalb des Sprechzimmers vornehmen Datensatz Persönliche Erklärungen anlegen
persönlichen medizinischen Daten handelt, darf. Im Hintergrund legt die Praxissoftware und auf der Gesundheitskarte speichern. Die-
muss der Arzt zuvor den Patienten aufklären automatisch eine Kopie der Notfalldaten im ser Datensatz enthält Angaben zum Aufbewah-
und dessen Einwilligung einholen. Die Einwil- System ab. rungsort von Patientenverfügung, Vorsorge-
ligung erfolgt, indem der Patient seine sechs- vollmacht und Organspendeausweis. Die Do-
Aktualität ist wichtig
stellige PIN am Kartenterminal eingibt. Der kumente selbst können mangels Speicherplatz
Patient hat das Recht, seine Einwilligung je- Notfalldaten sind nur sinnvoll, wenn sie aktu- nicht auf der Karte hinterlegt werden. Da der
derzeit zu widerrufen. In diesem Fall muss der ell sind. Deshalb sollte generell jeder Arzt, der DPE unabhängig von den Notfalldaten gespei-
Arzt den Notfalldatensatz von der Gesund- an der Behandlung eines Patienten beteiligt chert wird, kann theoretisch auch der Patient
heitskarte löschen. ist, diese Daten aktualisieren und auf Vollstän- diesen Datensatz anlegen, speichern und
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