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Titelgeschichte
INTERVIEW „WIR SEHEN GROSSEN NACHHOLBEDARF“
Dr. Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbands der deutschen Dermatologen, begrüßt einerseits, dass die
Politik die Digitalisierung vorantreibt. Andererseits hat er am DVG einiges zu beanstanden, so etwa die Rolle,
die das BfArM bei den digitalen Gesundheitsanwendungen spielt.
DR. KLAUS STRÖMER
Î ÎWie wird das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) in der Dermatologie aus Juristerei, Bundesärztekammer und Technik. Präsident des Berufsverbands
wahrgenommen? Zum einen verfügen wir als Berufsverband schon der Deutschen Dermatologen
(BVDD) und langjähriger Vor-
Bei der Digitalisierung gibt es in der Ärzteschaft einerseits Fortschrittsfreun- seit Längerem über eine Tele-Guidance, die wir reiter in Sachen Telemedizin Abb.: ANGELIKA BUENO ROMAN/BVDD
de, andererseits aber auch viele etwas konservativere Ärzte, die als Hüter gerade aktualisieren und die technische, juristi- in der ambulanten Arztpraxis.
der Qualität und des Datenschutzes zurückhaltend sind bei allem Digitalen. sche, berufsrechtliche und inhaltliche Standards für teledermatologische An-
Beides, Qualität und Datenschutz/Datensicherheit, werden im DVG nicht ad- wendungen beschreibt. Zusätzlich arbeiten wir derzeit unter meiner Koordi-
äquat angesprochen. Da sehen wir großen Nachholbedarf. Daneben erken- nation an einer S2k-Leitlinie zur Telemedizin in der Dermatologie, mit der wir
nen die Dermatologen sicherlich das Bemühen an, den Zug in Fahrt zu brin- bis zum Karneval 2020 an die Öffentlichkeit gehen wollen. Es gibt auch eine
gen. Das sehen wir mehrheitlich positiv. Kritisieren am DVG würde ich die laufende Dissertation, die sich mit der Qualität von dermatologischen Apps
neue Rolle des BfArM. Zum einen halte ich die Zeit für den Nachweis eines beschäftigt und die auch in die Leitlinie einfließen wird.
Versorgungsnutzens für völlig illusorisch. Eine andere Frage ist auch, ob die
Expertise des BfArM ausreicht. Digitale Gesundheitsanwendungen sind ein Î ÎWas wünschen Sie sich von der Politik?
Teil der Medizin, und den zu gestalten ohne Medizinmänner und Medizin- Vor allem würden wir uns wünschen, dass die Verantwortung für den Daten-
frauen halte ich für nicht sachgerecht. schutz ein Stück weit aus der Endstrecke beim Arzt entfernt wird und dahin
kommt, wo der Rahmen geschaffen wird. Die gematik muss für die Sicher-
Î ÎDigitales Medizinprodukt ist nicht gleich digitales Medizinprodukt. heit der Daten eine Verantwortung übernehmen. Es kann nicht sein, dass
Das BfArM soll ja vor allem für Niedrigrisikoprodukte zuständig sein. bei der Telematikinfrastruktur die komplette Verantwortung beim Arzt
Sicher gibt es unterschiedliche Anforderungen an die Sicherheit und die liegt, zumal wenn er gesetzlich unter Androhung von Honorareinbußen ver-
Qualität. Aber wenn es in einem doch chronisch unterfinanzierten gesetzli- pflichtet wird, online zu gehen.
chen Versicherungssystem um die Finanzierung geht, muss die Frage er-
laubt sein, wo das zusätzliche Geld herkommen soll. Ich schätze vor diesem Î ÎEs gibt ja seit September die Stellungnahme der Konferenz der Daten-
Hintergrund übrigens auch die Motivation der Hersteller als eher überschau- schützer des Bundes und der Länder, die besagt, dass es eine gemeinsame
bar ein. Dass die Krankenkassen jetzt mit an sich treuhänderisch gedachten Verantwortung von Arzt und gematik gibt und dass der Gesetzgeber das
Geldern der Versicherten zum Venture-Capital-Geber werden, halte ich aus noch einmal präzisieren muss. Das wäre das, was Sie sich vorstellen?
demselben Grund auch für etwas überambitioniert. Genau. Salopp formuliert sollte das wie beim Telefon sein: Der Telekommu-
nikationsdienstleister ist zuständig für den Hausanschluss, für alles, was da-
Î ÎSie haben das Stichwort Qualität genannt. Was tut die deutsche nach kommt, bin ich zuständig. So würde ich mir das vorstellen. Der Gesetz-
Dermatologie, was kann die ambulante Medizin tun, um digitale Qualität geber hat die KBV ja im DVG verpflichtet, Vorgaben für die Datensicherheit
zu fördern? in Arztpraxen zu machen. Das wäre dann der Teil, für den die Ärzte verant-
Als BVDD bemühen wir uns auf mehreren verschiedenen Ebenen, fachärztli- wortlich sind. Aber alles, was mit Anschluss an die TI und mit Spezifikatio-
che Standards zu setzen, im Schulterschluss mit unserer wissenschaftlichen nen von Konnektor und Lesegeräten zu tun hat, dafür ist die gematik verant-
Fachgesellschaft, aber auch mit Patientenverbänden und externen Experten wortlich, und nicht der Arzt.<
Gesundheitsanwendungen oder „DiGA“ der engeren Sinne der Diagnose oder Therapie die- Positivliste von digitalen Anwendungen, die
zweite wesentliche Schwerpunkt des DVG mit nen. Als Beispiele immer wieder genannt wer- von der GKV erstattet werden. Nach welchen
Relevanz für den niedergelassenen Arzt. Da- den Chroniker-Apps, etwa tagebuchartige Kriterien die Listung erfolgt, wird eine Rechts-
rauf deutet schon der griffige Slogan der „App Anwendungen für Migräne oder Diabetes, aber verordnung regeln, die im ersten Halbjahr 2020
auf Rezept“ hin, den Gesundheitspolitiker im auch diverse digitale Tools für das Patienten- erwartet werden kann. Klar ist aber, dass ein
Zusammenhang mit den DVG-Plänen gern be- selbstmanagement, etwa Anwendungen für positiver Versorgungsnutzen – den definiert
mühen. Erreicht werden soll, kurz gesagt, dass Patienten, die stottern. das DVG als „entweder medizinischer Nutzen
digitale Gesundheitsanwendungen – ob Das Entscheidende an dem neuen oder patientenrelevante Struktur- und Verfah-
browserbasierte Anwendungen oder Apps – Fast-Track-Verfahren für digitale Gesundheits- rensverbesserung“ – nachgewiesen sein muss
schneller in die reguläre Versorgung kommen, anwendungen ist, dass das Bundesinstitut für oder – bei vorläufiger Listung – innerhalb eines
sofern sie ein niedriges Risiko aufweisen. Die- Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Jahres nachzuweisen ist.
ses niedrige Risiko ist im Gesetz definiert als den Hut aufbekommt. Das BfArM, so will es das „Ein entscheidender Unterschied zu Hilfs-
Medizinprodukte der Klassen I und IIa, also DVG, führt das Verzeichnis digitaler Gesund- mitteln besteht darin, dass der Hersteller den
solche digitalen Anwendungen, die nicht im heitsanwendungen nach § 139e SGB V, eine Art Antrag auf Aufnahme in die BfArM-Liste stellt“,
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