Page 6 - xpress_Ausgabe 19.3
P. 6
Kompakt
INTERVIEW „KASSENAKTEN SIND NICHT ALLES“
Kommt doch noch ein freier Wettbewerb elektronischer Akten? Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH)
bietet Patienten seit April eine eigene Gesundheitsakte. Ziel ist eine Aktenweiche bei Aufnahme.
Î ÎAlle Patienten bekommen bei Ihnen jetzt kostenfrei eine elektronische kommt. Und es stehen auch schon einige Nach- PROF. DR. Abb.: Soulpicture
Gesundheitsakte. Warum? ahmer in den Startlöchern. Wir stellen uns Fol- JENS SCHOLZ
ist Vorstandsvorsitzender des
Wir wollen unseren Patienten die sie betreffenden Dokumente im Einklang gendes vor: Wenn ein Patient zu uns kommt, Universitätsklinikums Schleswig-
mit dem Patientenrechtegesetz elektronisch zur Verfügung stellen. Dazu lesen wir die Gesundheitskarte ein und sehen Holstein, das derzeit nicht nur
klären wir alle Patienten bei Aufnahme entsprechend auf und lassen uns dann, ob eine Krankenkassenakte existiert oder Akten einführt, sondern auch
noch zwei neue Kliniken baut.
eine E-Mail-Adresse geben, über die die Patienten einen Link erhalten, mit nicht. Im ersten Fall gehen die Dokumente in
dem sie die Gesundheitsakte eröffnen können. Wer keine E-Mail-Adresse die Krankenkassenakte, im zweiten Fall wird un-
angibt, erhält vom Anbieter einen Brief, der eine Anmeldung ermöglicht. sererseits eine Akte eröffnet. Diese Abfrage gibt es im Moment noch nicht,
aber hinter den Kulissen wird da schon intensiv diskutiert. Was wir sicher
Î ÎSie nutzen die vitabook-Akte. Warum haben Sie einen kranken- nicht machen werden, ist, jeden Patienten aktiv fragen, ob er irgendeine
kassenunabhängigen Anbieter gewählt? Akte hat.
Wir würden auch mit Krankenkassenakten arbeiten, aber die können nicht
die alleinige Lösung sein. Als Universitätsklinikum wollen wir allen unseren Î ÎWird eine lebenslange Gesundheitsakte für das UKSH nicht teuer? Und:
Patienten die Dokumente elektronisch zur Verfügung stellen, und das geht Bauen Sie eine weitere IT-Insel?
aktuell weder mit der TK-Safe-Akte noch mit Vivy. Natürlich würden wir die Wir haben in die Erprobung investiert und die Schnittstelle mit entwickelt. Da-
Dokumente auch für die Krankenkassenakte zur Verfügung stellen, wenn rüber hinaus bezahlen wir für die Gesundheitsakten nichts. Wie hier auf Dau-
der Patient das möchte. er die Refinanzierung aussieht, ist Sache von vitabook und Microsoft. Was die
IT-Insel angeht: Wir und unsere Industriepartner sind in enger Abstimmung
Î ÎWie stellen Sie sich auf Dauer das Nebeneinander zwischen unter- mit den Krankenkassen, um eine gemeinsame Krankenhausschnittstelle zu
schiedlichen Akten vor? entwickeln. Das kann nur einheitlich funktionieren, auch die geschilderte Ab-
Wir brauchen ein Marktmodell, um alle Patienten erreichen zu können. Ich frage braucht eine einheitliche Schnittstelle, und zwar auf Basis von IHE-Profi-
bin überzeugt, dass durch unseren Vorstoß Bewegung in diese Debatte len. Sobald es sie gibt, werden wir mit dieser Schnittstelle arbeiten.<
ALKOHOLENTZUG
Die App für danach
In Deutschland gelten rund 1,8 Millionen Men- die Patienten, ihr Suchtverlangen zu erkennen
schen als alkoholkrank. Vor allem in den ersten und mit Risikosituationen umzugehen. Neben
Monaten nach einem stationären Alkoholent- dieser Förderung der Abstinenzmotivation
zug ist das Risiko eines Rückfalls besonders identifiziert die App mittels Telediagnostik
hoch. Ausgerechnet in dieser Zeit nimmt nur Angebote für die Zeit nach einem stationären
ein kleiner Teil der Patienten eines der vielen Entzug. Gemeinsam mit einem Psychothera-
Unterstützungsangebote wahr. Das Projekt peuten, dem sogenannten eCoach, erarbeiten
SmartAssistEntz der Universität Erlan- die Patienten dann in sechs Telefongesprä-
gen-Nürnberg möchte dies ändern, indem chen einen individuellen Plan mit Maßnah-
es Patienten nach erfolgtem stationärem men, die am besten zum jeweiligen Lebens-
Entzug dabei unterstützt, individuell passen- umfeld passen. Dies können Selbsthilfegrup-
de Anschlussmaßnahmen zu identifizieren, pen, die Anbindung an eine klinische
in Anspruch zu nehmen und nachhaltig zu Ambulanz oder Paar- und Familiengespräche
nutzen. Bei SmartAssistEntz handelt es sich sein. Das Pilotprojekt wird in der Region Fran-
um ein Smartphone-basiertes Konzept mit ei- ken implementiert und evaluiert. Es soll unter
Abb.: iStockphoto.com © natrot erhalten die Patienten nach dem Klinikaufent- risiko innerhalb von sechs Monaten nach Ab-
anderem untersuchen, wie hoch das Rückfall-
nem Psychotherapeuten. Im ersten Schritt
schluss des Entzugs im Vergleich zu den in der
halt eine für sie entwickelte App. Die App un-
Regelversorgung erzielten Effekten ist. Der
terstützt sie mit einem speziellen Training, das
Gemeinsame Bundesausschuss fördert das
ihnen helfen soll, dauerhaft auf Alkohol zu
verzichten. In den Trainingseinheiten lernen
06 x.press 19.3 Projekt mit rund 2,4 Millionen Euro.< C FAU.DE