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Kompakt




        INTENSIVMEDIZIN                                                    STURZVERMEIDUNG
        Frühwarnsystem vermeidet Komplikationen                            Hilfreiche Sensoren

        Ein angehender Herzchirurg am Deut-  wachungsdaten kann es trotz guter tech-  Ältere Menschen stürzen in Alltagssituationen be-
        schen Herzzentrum Berlin (DHZB) hat  nischer Ausstattung und großer Erfah-  sonders häufig. Aus Untersuchungen ist bekannt,
        eine intelligente Software zur Früherken-  rung des Teams vorkommen, dass Kom-  dass 30 Prozent der über 65-Jährigen mindestens
        nung postoperativer Komplikationen  plikationen erst spät diagnostiziert   ein Mal im Jahr stürzen. Wissenschaftler des Karls-
        entwickelt. Das Monitoring-Sys-      werden können. Die neue Monito-  ruher Instituts für  Technologie forschen deshalb an
        tem ist in der Lage, bei Inten-          ring-Software arbeitet mit   einem System zur Sturzprävention. Bislang erfolgt
        sivpatienten das Risiko                    künstlicher Intelligenz.   die Bewertung des individuellen Sturzrisikos über-
        für bestimmte Kompli-                        Sie wurde mit über    wiegend in geriatrischen Kliniken im Zusammen-
        kationen zu bewer-                            11 000 Messwerten    hang mit einer Rehabilitationsmaßnahme. Mit dem
        ten und Pflegekräfte                          von intensivmedizi-  neuen System sollen Senioren, die schon einmal
        sowie Ärzte zu war-                            nischen Behandlun-  gestürzt sind oder sich vor einem Sturz fürchten,
        nen, bevor „echte“                             gen am DHZB gefüt-  Hilfe erhalten. Es besteht aus Handgelenksensoren,
        Symptome auftre-                               tert und verwendet   die dezent wie eine Armbanduhr getragen werden.
        ten. Die Studie über                          diesen Datenschatz,   Diese Sensoren ermöglichen eine kontinuierliche
        diese Software hat er                         um in Echtzeit alle   Bewertung des Sturzrisikos. Ein Algorithmus rech-
                                                                           Abb.: Markus Breig/KIT
        jetzt in einem Ableger                      Messwerte eines Pati-
        der Fachzeitschrift „The                   enten zu analysieren und
        Lancet“ veröffentlicht. Dabei           mit Blick auf erste Anzeichen
        geht es um die intensivmedizinische   einer drohenden Komplikation aus-
        Nachbehandlung von Patienten, die am  zuwerten. Potenziell lebensbedrohliche
        Herzen operiert wurden. Hier können  Zustände sollen somit vorausgesagt und
       Abb.: iStockphoto.com © vasabii             Komplikationen auftreten, die sich umso  peutische Maßnahmen vermieden wer-
        eine Reihe bekannter postoperativer  rechtzeitig durch entsprechende thera-

        besser behandeln lassen, je früher sie  den. Weil das System anhand neuer Mess-
        erkannt werden. In Phasen mit einer be-
                                        daten ständig hinzulernt, wird es im
        sonders hohen Arbeitsbelastung und  Laufe der Zeit immer besser.<

                                                               C DHZB.DE
        angesichts vieler unterschiedlicher Über-
        TELEKONSULTATIONEN
        Gleiches Geld für gleiche Leistung gefordert

        Der IT-Verband Bitkom fordert, dass di-  gen in Zukunft wegfallen sollen. Statt-  DEZENT: Der Sensor lässt sich unauffällig wie eine Uhr am Handgelenk tragen.
        gitale Arztbesuche mit der Versorgung  dessen sollte es identische Abrechnungs-
        vor Ort gleichgestellt werden. In seinem  möglichkeiten sowohl für die Konsulta-  net die Messwerte aus dem Sensor in eine Kennzahl
        Positionspapier weist der Verband darauf  tion vor Ort als auch über digitale Wege   um, die für das Sturzgefahrniveau –  „gefährdet“
        hin, dass die Telemedizin in vielen ande-  geben. Die Entscheidung, in welcher   oder „nicht gefährdet” – steht. Bei gefährdeten Per-
        ren Ländern bereits ein fester Bestand-  Form der Arztbesuch stattfindet, müss-  sonen unterscheidet das System weiter zwischen
        teil der Versorgung sei. Das           ten Arzt und Patient gemein-  Personen, die einmalig oder mehrmals gestürzt
                                   Plädoyer
        E-Health-Gesetz sollte durch           sam treffen. Mit dem Wegfall   sind. Informationen aus drei Bereichen der Bewe-
        die Erstattung der Video-              des Verbots der ausschließli-  gung – Gang, Aufstehverhalten der Person und
        sprechstunde und die telekon-  für digitale   chen Fernbehandlung habe   Arm-Bein-Koordination – werden ausgewertet, um
                                   Medizin
        siliarische Befundbeurteilung          der Deutsche Ärztetag die   die richtige Strategie gegen Stürze zu wählen. Zu
        von Röntgen- und CT-Aufnah-            Grundlage für diese Versor-  diesen Strategien zählen unter anderem Gleichge-
        men die Telemedizin fördern.           gungsformen geschaffen. Der   wichtstrainings, Arzneimittelanpassungen und das
        Weil sich die Videosprechstunde jedoch  Verband weist darauf hin, dass für eine   Minimieren von Gefahren im Haushalt. In einer kli-
        auf einzelne Indikationen und Arztgrup-  vollständige Gleichstellung des digitalen   nischen Studie an der geriatrischen Abteilung des
        pen  beschränke,  sei  dieses Ziel  des  Arztbesuchs und der Versorgung vor Ort   Stuttgarter  Robert-Bosch-Krankenhauses haben die
          E-Health-Gesetzes verfehlt, so der Ver-  alle Prozesse im Zuge eines Arztbesuchs   Forscher untersucht, wie sich die Sensoren zur
        band. Um digitale Arztbesuche in der  wie zum Beispiel die Verordnung, die   Sturzvermeidung einsetzen lassen. Zurzeit entwi-
        Breite zu ermöglichen, schlägt  Bitkom  Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder   ckeln die Forscher die Sensoren zusammen mit ei-
        vor, dass Einschränkungen durch  die Überweisung an einen Facharzt digi-  nem Unternehmen zur Marktreife. Wann das System
        EBM-Ziffern für Telemedizin-Anwendun-  tal verfügbar sein müssen.<  C BITKOM.ORG  verfügbar sein wird, steht noch nicht fest.<   C KIT.EDU

                                                                                                             x.press 19.1   07
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